Full text: Hülfsbuch für den Unterricht in der deutschen Geschichte, mit besonderer Berücksichtigung der Kulturgeschichte

Zustände im deutschen Reich zur Zeit des Großen Kurfürsten. 433 
Zustände im deutschen Reich ?ur Zeit des 
Großen Kurfürsten. 
I. Slaatsleben. (Kaiser und Ueich). 
Der Kaiser, mit der Abwehr der Türken beschäftigt, kümmerte 
sich um das Reich nicht; seine Einkünfte als solcher waren so beschränkt, 
daß weder der Kurfürst von Bayern, noch der Große Kurfürst zur An¬ 
nahme der Kaiserkrone zu bewegen gewesen waren, als es sich um die 
Kaiserwahl handelte. Der Kurfürst von Bayern hatte die angebotene 
Krone mit den Woten abgelehnt: „Ich will nicht aus einem reichen 
Kurfürsten ein armer Kaiser werden, denn der Kaiser hat im Reich 
nicht soviel Landbesitz, daß er sich darauf ein Haus bauen könnte, noch 
soviel Einkünfte, um einen Tag davon zu leben." Die Fürsten ließen 
sich ihre oft sehr geringe Hülfe teuer genug bezahlen, entrichteten aber 
die Reichssteuern spärlich oder gar nicht. Als völlig selbständige 
Fürsten, wie sie es seit 1648 geworden waren, trieben sie selbstsüchtige 
und einige sogar deutschfeindliche Politik; denn 1657 unterstützten 
fünf Kurfürsten die Bestrebungen Ludwigs XIV., den deutschen Kaiser¬ 
thron zu gewinnen, und in allen Kriegen Ludwigs gegen das Reich 
standen einzelne deutsche Fürsten auf feiner Seite. Gegen Ende seines 
Lebens war sogar der Kurfürst von Brandenburg ein Bündnis mit 
Frankreich eingegangen, allerdings um sein Recht auf die schlesischen 
Fürstentümer gegen den Kaiser zu behaupten. 
II. Gesellschaftliches Leben. 
Am schlimmsten äußerte sich der Einfluß Frankreichs im gesell¬ 
schaftlichen Leben. 
1. In Dresden und in München, in Stuttgart und in Kassel, 
in Mainz und in Bonn, in Koblenz und in Salzburg, in Karlsruhe 
und in Bayreuth, bis zu den kleinsten Fürsten- und Grafenhöfen 
hinab spielte man Versailles, indem man die Lebensführung, den 
Hofstaat und die Regierung nach dem Muster des französischen Hofes 
zu gestalten suchte. Fast überall wiederholte sich das nämliche leidige 
Schauspiel: verschwenderische Fürsten, die alle nur erdenklichen Ge¬ 
nüsse bis zur Hefe erschöpfen und den Unterthanen das Mark aus 
den Knochen und den Schweiß aus den Gliedern ziehen, die sich 
Roßbach, Hülfsbuch rc. 28
	        
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