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Friedrich der Große 1740—1786.
der verstorbene König hatte Gründe, das nicht zu mißbilligen. Ich
aber habe die meinigen, um darüber anders zu denken, ich glaube,
das Interesse meiner Staaten ist auch das meinige und
ich kann keines haben, das dem ihrigen entgegen wäre.
Machen sie deshalb diese Unterscheidung nicht mehr und lassen Sie sich
ein für alle mal gesagt sein, daß ich als mein Interesse' nur
das betrachte, was zur Erleichterung und zum Glücke
meiner Völker beiträgt."
1. Friedrichs erste Regierungshandlungen. Zunächst fiel der
schmähliche Mißbrauch der Folter; kurz darauf verkündete er die allge¬
meinste Denkfreiheit vom Thron herab: „In meinen Staaten müssen
alle Religionen toleriert werden, keine darf der andern Abbruch thun,
und jeder hat das Recht, nach eigener Fa^on selig zu werden." Der
Akademie der Wissenschaften in Berlin gab er die früher entzogenen
Einkünfte zurück und den vom Amte enthobenen Professor Wolff,
dessen Werke er als Kronprinz eifrig studiert, bewog er, sein Lehramt
in Halle wieder anzunehmen. Die Männer, welche in Rheinsberg um
ihn waren, erhielten angemessene Stellungen. Die Herzen des Volkes
gewann er sich sogleich bei einer Hungersnot durch Verkauf von
billigem Getreide aus den Magazinen. Die Riesengarde wurde auf¬
gelöst, die Leute wurden entweder entlassen oder in die andern Regi¬
menter verteilt. Die „Königin-Mutter" und seine Geschwister versorgte
er reichlich mit Einkünften.
2. Die beiden schlesischen Kriege. Bald eröffneten sich kriegerische
Aussichten, denn fünf Monate nach Friedrichs Regierungsantritt starb
der Kaiser Karl VI., ohne männliche Nachkommen zu hinterlassen.
Zuvor hatte Karl durch ein neues Hausgesetz, die sogenannte „Prag¬
matische Sanktion," die weibliche Thronfolge in seinen Erbstaaten
eingeführt, was bisher in Deutschland noch nicht zu Recht bestand.
Der Kaiser hatte die Zustimmung und Bürgschaft zu diesem Gesetz
von allen europäischen Mächten, mit Ausnahme Kurbayerns, erlangt.
Aber kaum hatte Maria Theresia, des Kaisers Tochter, den väterlichen
Thron bestiegen, als sie von verschiedenen Seiten angegriffen wurde.
Auch Friedrich machte aus Grund des alten Erbverbrüderungsvertrags
Ansprüche auf vier schlesische Fürstentümer geltend. Friedrich ließ
zum stärkeren Nachdruck seiner Focderung aus Herausgabe des Herzog¬
tums Schlesien seine Truppen im Dezember 1740 in Schlesien ein¬
rücken. Um seine Forderung eher erfüllt zu sehen, hatte er durch
seinen Gesandten in Wien noch folgende Vorschläge machen lassen: