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Das Zeitalter Wilhelms I.
Diese sollte mit der Dritten Armee auf Paris losrücken. Schon waren
die Heeressäulen, die blutigen Schlachtfelder hinter sich lassend, meh¬
rere Tagemärsche in westlicher Richtung vorwärts gedrungen, als man
im Hauptquartier des Königs in Erfahrung brachte, daß Mac Mahon
sich nordwärts gewendet habe, um an der belgischen Grenze entlang
dem in Metz eingeschlossenen Marschall Bazaine Hülfe zu bringen..
Sofort wurde eine allgemeine Rechtsschwenkung der auf dem Normarsch
nach Paris begriffenen Heere angeordnet. Infolge dessen mußte sich
Mac Mahon, bei dessen Heer sich auch Kaiser Napoleon befand, auf
die Festung Sedan zurückziehen, wo er nach der für die Franzosen un¬
günstigen Schlacht bei Beaumont (30. August) vollständig von den
deutschen Heeren umschlossen wurde. Es blieb ihm nur die Wahl, ent¬
weder auf belgisches Gebiet überzutreten oder eine letzte Entscheidungs¬
schlacht zu wagen.
e) Die Schlacht bei Sedan. Ein dichter weißer Nebel lag in der Frühe
des 1. September ringsum auf dem Gelände. Hier und da blitzte im Süden ein
aufflammender Feuerschein hindurch, es waren die Geschütze der Bayern von der
Dritten Armee, welche den Angriff auf das Dorf Bazeitles eröffneten. Es wurde
genommen, verloren und wieder genommen. Die Bayern hatten nicht bloß mit den
französischen Truppen, sondern auch mit den Dorfbewohnern, Männern und Frauen,
welche aus den Fenstern uud Kellern schossen und an verwundeten bayerischen Solda¬
ten die schändlichsten Grausamkeiten verübten, zu kämpfen. Dadurch steigerte sich die
Wut der Angreifer. Wer mit den Waffen in der Hand angetroffen wurde, wurde
niedergehauen, die Häuser, aus denen geschossen wurde, in Brand gesteckt. Gegen
Abend stand das ganze Dorf in Flammen. Den Bayern schlossen sich int westlichen
Bogen das 11. und 5. Armeekorps an, überschritten die Maas bei Donchery, rückten
von Nordwesten und Norden her gegen die Franzosen vor und reichten den! rechten
Flügel der Maasarmee, den Sachsen, die Hand. Diesen reihten sich südwärts die
preußischen Garden an, zwischen denen und den Bayern das 4. Armeekorps den eisernen
Ring schloß. Die Franzosen wehrten sich mit dem Mute der Verzweifelung gegen die
Umklammerung, wurden aber von der Übermacht der Deutschen immer mehr auf der
Hochfläche von Sedan zusammengedrängt. Da versuchen 8 französische Reiterregi¬
menter der Infanterie Luft zu machen, ihr Angriff wird zurückgeschlagen und die
Schwadronen werden auseinander gesprengt. Ehrenvoll erlagen die feindlichen Reiter,
die das Geschick der französischen Armee nicht mehr abwenden konnten.
Bald nach Beginn der Schlacht war der Marschall Mac Mahon verwundet
worden, der General Ducrot hatte nun den Oberbefehl übernommen und alsbald die
Befehle erteilt, daß die Franzosen sich nach der belgischen Grenze wenden sollten, wo
die Umzingelung am schwächsten war. Als dieser Befehl ausgeführt wurde, bean-
spruchte der General Wimpffen, welcher erst vor kurzem bei der Armee eingetroffen
war, den Oberbefehl, der ihm vom Kriegsminister in Paris übertragen worden war,
falls Mac Mahon ein Unglück zustoßen sollte: General Wimpffen hob die Befehle
des General Ducrot auf, und so entstand in den Bewegungen der Franzosen ein Wirr¬
warr, der die Niederlage beschleunigte.