Full text: Von der Gründung der Mark Brandenburg bis zum Wiener Kongreß (Teil 2)

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dings, besonders im Luxenburgischen, große Stücke losgerissen; weit¬ 
hin im Gelände zwischen Mosel und Rhein focht man Besitzrechte 
an, die bisher sür unantastbar gegolten hatten. Casale, damals die 
stärkste Festung der oberen Polande, ward an dem gleichen Tage wie 
Straßburg eingenommen. Die Übergriffe vollzogen sich in den 
schroffsten Formen, nicht ohne brutale und raffinierte Gewalttaten; 
der herrische Ton der französischen Diplomatie durchbrach alle Regeln 
des völkerrechtlichen Verkehrs. 
So fanden die Bemühungen des Oraniers, eine neue Union 
gegen Ludwig XIV. zusammenzubringen, empfänglichen Boden. 
Deutsche Reichsfürsten, auch Schweden, dann der Kaiser und 
Spanien traten mit den Niederländern zusammen zur Erhaltung 
des Friedens von Nymwegen. Aber dann kam die schlimmste Türken¬ 
not, die das Hans Habsburg erlebt hat, und der Beitritt Schwedens 
trieb die zahlreichen Gegner dieses Staates zu Frankreich hinüber 
oder hielt sie bei diesem fest. Ein Krieg, zu dem Spanien sich auf¬ 
raffte, als eben Wien von den Türken befreit war, endete schon im 
August 1684 mit neuen Abtretungen niederländischer Plätze; Kaiser 
und Reich erkannten die vor dem 1. August 1681 vollzogenen 
Reunionen für 20 Jahre an und überließen Straßburg und Kehl 
für diesen Zeitraum an Frankreich. Als im nächsten Jahre Kurfürst 
Karl von der Pfalz starb, traten die Ansprüche in Kraft, die Lud¬ 
wig XIV. auf Grund der 1671 erfolgten zweiten Heirat seines 
Bruders, des Herzogs von Orleans, mit der einzigen vollberech¬ 
tigten Schwester des Verstorbenen, der Elisabeth Charlotte, Lise¬ 
lotte, machte. Das weithin zerstreute Pfälzer Besitztum eröffnete 
eine schier unendliche Aussicht auf neue und wertvolle Reunionen. 
Es ist die Zeit, in der Ludwig XIV. daheim auch feine kirch¬ 
liche Suprematie rücksichtslos zur Geltung brachte. Im Oktober 1685 
erfolgte die Aufhebung des Ediktes von Nantes; die Hugenotten, 
schon seit Ludwigs Regierungsantritt unausgesetzt verfolgt, hatten 
nur noch die Wahl zwischen Tod und Verbannung. Mit der Kurie, 
die Ludwigs Macht schon wiederholt zu fühlen bekommen hatte, be¬ 
gann der Streit über die gallikanischen Rechte und die römische 
Quartierfreiheit und brauchte seine Macht unbedenklich. Das Ver¬ 
hältnis zu Jnnocenz XI. wurde so gespannt, daß der Papst sogar 
die Verfolgung der Hugenotten mißbilligte. 
Das äußerte seine Wirkung auch in den deutschen Dingen. 
Vergebens bemühte sich Ludwig, die Bestätigung des durch seinen 
Einfluß in Cöln zum Koadjutor gewählten Straßburger Bischofs 
Wilhelm Egon von Fürstenberg, einer der gefügigsten und un¬ 
würdigsten Kreaturen des Königs im Reiche, durchzusetzen; Jnnocenz 
entschied für Joseph Clemens von Bayern, den Bruder des Kur¬ 
fürsten Max Emanuel, der sich 1685 mit Maria Antonia, Kaiser 
Leopolds einzigem Kinde aus der Ehe mit der spanischen Prinzessin, 
vermählt und die Zusage erhalten hatte, aus der spanischen Erb-
	        
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