Full text: Von der Gründung der Mark Brandenburg bis zum Wiener Kongreß (Teil 2)

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eine neue Front in der Richtung von Nordwest nach Südost, welche 
am Ostausgang des Dorfes die ursprüngliche Stellung beinahe senk¬ 
recht durchschnitt. 
Auf Leuthen richtete sich jetzt der konzentrische Angriff des 
Vortreffens und des rechten Flügels der Preußen. Der König 
wählte seinen Standort an dem Gehölz von Radaxdorf, wo er einen 
Augenblick nicht bloß von den österreichischen Batterien, sondern auch 
aus seinen eigenen Geschützen Feuer erhielt. Das stattliche Dorf 
Leuthen mit feinen zahlreichen geschlossenen Gehöften und einge¬ 
zäunten Gärten lag in seiner ganzen Länge vor der Front der 
Angreifer. Das zweite und dritte Bataillon Garde und die Grenadier¬ 
garde stießen gerade auf die Mitte des Ortes, wo der hochgelegene 
Friedhof der katholischen Kirche, dicht mit Kanonen besetzt, der 
Brennpunkt der Verteidigung wurde; in die feste Steinmauer mußte 
förmlich Bresche geschossen werden. 
Etwa eine Stunde währte der Kampf, bis Leuthen in den 
Händen der Preußen war. Hinter dem Dorfe erwartete sie neuer 
Widerstand. Vom rechten Flügel her waren die Grenadierkompagnien 
des Reservekorps angelangt, aus der Höhe zwischen den Windmühlen 
die drei Hauptbatterien zusammengezogen. Die preußische Linie war 
während des Einzelgefechtes in den Straßen und Gehöften aus¬ 
einandergekommen, die Bataillone des zweiten Treffens mußten in 
die Lücken eintreten, schon auch Bataillone ans dem zurückgehaltenen 
linken Flügel. Dieser selbst hatte sich in dem Maß, als der Kampf 
vorrückte, nach rechts dem Angriffsflügel nachgeschoben und war so 
doch auch in den Bereich der österreichischen Batterien gekommen: 
einige Abteilungen gingen in Unordnung zurück, ein Bataillon aus 
dem zweiten Treffen, durch den Adjutanten Retzow, den Sohn des 
diesen Flügel kommandierenden Generals, vorgeführt, zog durch sein 
Beispiel die Wankenden nach, und der ganze Flügel ging nun zum 
Angriff über. 
Somit waren sämtliche preußische Bataillone in die Feuerlinie 
getreten — eine bedenkliche Wendung, die den Absichten des Feld¬ 
herrn nicht minder widersprach, als die bei Prag und Kolin be¬ 
klagten Abweichungen vom Schlachtplan, die aber hier durch die 
Achsenwendung des gegnerischen Heeres unvermeidlich geworden war. 
Noch wehrt sich die österreichische Infanterie hartnäckig; wird die 
Reiterei sie noch einmal heraushauen und auch die heutige Schlacht 
noch im letzten Augenblick wiederherstellen? Lucchesi erspäht sich 
die Blöße des schwachen linken Flügels der Angreifer und schickt 
sich an, mit seinen noch frischen Schwadronen sie dort in der Flanke 
zu fassen. Aber die preußische Kavallerie ist heute anders am Platze, 
als am 18. Juni. Bei Radaxdorf hält, dem Auge des Gegners 
durch eine Bodenerhebung entzogen, General Driesen, nicht ein 
jugendlicher Held wie Seydlitz, fast ein Sechziger, untersetzt und 
schweren Leibes, aber warmblütig und lebhaft, klar und entschlossen,
	        
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