Full text: Hilfsbuch für den Geschichtsunterricht

113. Wie ein braver Pommer sich 1870 vor Paris das eiserne Kreuz verdient. 129 
Morgen werden wir uns weiter sprechen!“ — Was soll ich's leugnen? Mir 
schlotterten meine Kniee, als ich hinging, solch ein Schreck war mir in 
die Glieder gefahren; aber ich tröstete mich unterwegs und dachte bei mir: 
„Du hast nichts Böses begangen und wolltest doch nur die Patronen nicht um— 
kommen lassen.“ 
So führt man mich denn vor ein Haus, wohl das einzige, das in Cham— 
pigny noch einigermaßen heil war. Als ich eintrete, komme ich zuerst in einen 
Saal; da stand eine große Tafel gedeckt, und das roch um mich her so lieblich, 
daß mir ordentlich das Wasser im Munde zusammenlief. Im Zimmer daneben, 
dessen Tür halb offen stand, waren lauter Prinzen und Generäle und mitten 
darunter König Wilhelm selber. Ich sehe mir so mit meinem hungrigen Magen 
die Tafel an und denke eben: „Wer doch hier mitessen könnte, der brauchte sich 
in seinem Quartier nicht erst Kartoffeln zu schälen!“ Da hatte man mich auch 
schon beim Könige gemeldet, und ich muß ins Nebenzimmer hinein. 
Jetzt kommt der König auf mich los und sieht mich so freundlich an, daß 
mir gleich das ganze Herz aufgeht, und sagt zu mir: „Mein Sohn, wie war die 
Geschichte gestern mit deinen Patronen? Erzähle mir das einmal ganz genau, 
was du davon noch weißt!“ — „Zu Befehl, Majestät“, sage ich, „das will 
ich tun!“ Und nun fange ich an alles haarklein zu erzählen, wie ich im Graben 
gelegen hätte und alle meine Patronen neben mir, und wie ich das Signal 
zum Zurückgehen wohl gehört, aber das liebe Gut doch nicht hätte umkommen 
lassen wollen, und wie der Herr Adjutant angesprengt gekommen wäre und 
geschrien hätte: „Zurück! Zurück! Kerls, habt ihr denn keine Ohren mehr?“ — 
Über dem Erzählen aber war mir alle Angst vergangen, und ich sprach, wie 
mir der Mund gewachsen war, und sagte: „Herr König, zum Komplimente— 
machen war keine Zeit, und man konnte auch vor dem Geknalle sein eigenes 
Wort nicht hören, da habe ich mich umgedreht und gerufen: „Ach was, ich 
verschieße erst meine Patronen hier!“ Das ist das Ganze gewesen, Ew. Majse— 
stät, weiter habe ich nichts verbrochen.“ 
Da lachte der König über das ganze Gesicht und hat mich auf die Schul— 
ter geklopft und gesagt: „Das hast du brav gemacht, mein Sohn!“ — „Halt“, 
denke ich, „jetzt hast du Oberwasser! Nun soll der Adjutant nur kommen!“ Da— 
mit, meinte ich, sei es genug, und ich könnte „rechts um kehrt“ machen. Da 
sagte der König noch zu mir: „Hast du schon zu Mittag gegessen, mein Sohn?“ 
— „Zu Befehl, Ew. Majestät!“ antwortete ich; „ich bin noch mundnüchtern.“ 
— „Und hast wohl tüchtigen Hunger?“ fragte der König weiter. „Zu Befehl!“ 
sage ich; „aber der Durst ist auch nicht schlecht.“ — Da lachte der König 
wieder und sagte: dann solle ich bei ihm mitessen. 
Norddeutsches Lescbuch (Mittel- u. Oberstufe).
	        
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