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sie ihre Sitzungen verlegt hatte, durch ein von dem Märzminister
Römer gesandtes Militärkommando auseinander gejagt?
So jämmerlich war das Ende des hoffnungsreich und imposant
begonnenen Werkes. Wir haben die Fehlgriffe bemerkt, wodurch die
Nationalversammlung sich an der Herbeiführung eines solchen Aus¬
gangs beteiligte. Ebenso bestimmt jedoch müssen wir hier wieder¬
holen, was wir schon beim Anfang ihres Wirkens betonten: die
innere Unmöglichkeit der Lösung der Aufgabe bei dem damaligen
Stande der politischen Bildung im deutschen Volke, wo hier radikale
Bestrebungen, dort die Macht des Sondertums die Anziehungskraft
des nationalen Gedankens noch überwogen. Allein keine Schande,
sondern ein Ruhm ist es, seinen Zeitgenossen voraus zu sein, und
deshalb zwar erfolglos in der Gegenwart zu bleiben, wohl aber den
Samen einer großen Zukunft auszuwerfen. Dies hat die National¬
versammlung getan, und damit einen ehrenvollen Namen in der Ge¬
schichte behauptet. Die Richtung, welche sie dem vaterländischen
Sinne gegeben, ist unvertilgbar geblieben, und auch eine glücklichere
Folgezeit hätte das Gelingen nicht erlebt, wäre nicht durch unser
erstes Parlament, trotz aller Irrtümer über die Mittel, mit so ge¬
waltigem Nachdruck das Ziel dem Volke gezeigt worden: die Freiheit
im Innern, die Einheit nach außen. Ders. S. 219 — 235.
V. Bismarcks parlamentarische Otigkeit vor der
Übernahme des JMmtsteriums.
a) Bismarck im Vereinigten Landtage.
Von jeher hatte sich der hinterpommersche Adel durch seine
Anhänglichkeit an die Krone ausgezeichnet; ja man kann sagen, daß
der Gemeingeist in diesen Bezirken der Provinz, wo der Adel noch
ganz die soziale Führung hatte, die spezifisch preußische Grundfarbe
trug; auch die bürgerlichen Kreise, auf dem Lande wie in den
Städten, Hatten die Traditionen des altprotestantischen patriarchalischen
Königtums fester bewahrt, als es in andern Provinzen auch des
Ostens der Fall war. Gerade die Freunde Bismarcks waren auf
dem Vereinigten Landtage die Führer dieser Richtung. Für die
ständischen Reformen des Königs hatten sie nicht viel übrig; ihre
lokalen Interessen sahen sie in ihrer Guts- und Kreisverfassung
und in dem Stettiner Landtage genügend gewahrt, und ihr politischer
Ehrgeiz ward in der Offiziers - und Beamtenlaufbahn voll befriedigt.
Noch weniger lagen ihnen die allgemein-deutschen Ideen Friedrich
Wilhelms am Herzen; und selbst die separatistische Richtung ihrer
Religiosität unterschied sich in ihrem strengen Bekenntnisglauben von
dem gemeinchristlichen Ideal, welches die Romantik ihres königlichen
Herrn anstrebte. Immerhin fühlten sie sich kirchlich und politisch