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56, Die Kaiserin Augusta.
Die Gemahlin unsers Kaisers ist am 30. September 1811
geboren und eine Tochter des Großherzogs von Sachsen-
Weimar. In ihrer Jugend verkehrte sie viel mit dem
Dichterfürsten Goethe, der von ihr sagte, sie sei ebenso be*
deutend als liebenswürdig. Ihre Vermählung mit dem Prinzen
Wilhelm von Preußen fand am 11. Juni 1829 statt. Dem
glücklichen Paare wurden zwei Kiuder geschenkt: Friedrich
Wilhelm, unser jetziger Kronprinz, und Luise, die Gemahlin
des jetzigen Großherzogs von Baden. Letztere erhielt von
ihrer Mutter eine sorgfältige Erziehuug. Als Prinz Wilhelm
i. I. 1861 König wurde, zeigte seine Gemahlin ein feines
Verständnis für das, was dem Lande not that, und ihrem
Einflüsse verdanken wir eine Menge wohlthätiger Stiftungen
und Einrichtungen im Staate. Von jeher war sie eine hohe
Förderin und Pflegerin der Kunst, namentlich der Musik und
der Dichtkunst. Seit längerer Zeit bringt sie jährlich einige
Monate auf ihrem Schlöffe in Koblenz zu, wo die
prachtvollen, nach ihrem Geschmack eingerichteten Garten-
anlagen Zeugnis ablegen von ihrem feinen Sinn für
Naturschönheiten. Mehr noch als ihre Liebe zur Kunst
ist ihr Wohlthätigkeitssinn im ganzen Lande bekannt.
Seit sie Königin geworden, widmet sie den Kranken und
den Waisen ihre besondere Fürsorge. Wo sie eine Stadt
besucht, gilt ihr erster Gang dem Hospital und dem Waisen¬
hause ; dort hat die hohe Frau für jeden ein freundliches
Wort, und fast jedesmal läßt sie reichliche Spenden zurück.
Bedeutend und segensreich war ihre Thätigkeit während des
letzten Krieges. Indem sie vom Kaiser durch regelmäßige
Depeschen vom Kriegsschauplätze über den Stand der Ereig¬
nisse unterrichtet wurde, sorgte sie für die Pflege der ver¬
wundeten und erkrankten Krieger. Sie gründete den p a-
trio tischen Fr a n e n v e r ei n, der von Anfang an eine
segensreiche Thätigkeit entfaltete. Am 11. Jnni 1879 hatte
die Kaiserin die Freude, zu sehen, mit welcher Liebe und
Verehrung das deutsche Volk an ihrem goldenen Jubelfeste
teilnahm. Die damals zahlreich entstandenen Wilhelm-
Augusta-Stiftungen entsprachen so recht den Wünschen der