Full text: Vaterländische Geschichtsbilder für den ersten Unterricht in der Volkschule

Das Bild auf dem Umschlag stellt unsern Kaiser Wilhelm den 
Zweiten dar. Unser Kaiser wurde im Jabre 1859 am 27. Januar 
* geboren, heute schreiben wir 18.., mithin ist er . . Jahre alt. 
Als Knabe wurde er nicht nur in allen Lehrgegeuständen, sondern 
I auch wie die Soldaten im Exerzieren unterrichtet. Im Alter von 15 
| Jahren besuchte er das Gymnasium zu Kassel und vom Herbst 1877 
■ä bis Frühjahr 1879 die Hochschule zu Bonn. Er kam auf diese Weise 
mit großen und kleinen Schülern, mit Vornehmen und Geringen zn- 
f sammelt, die ihn alle als sehr liebenswürdig bezeichnen. 
Heute ist Kaiser Wilhelm II. ein hochgewachsener Mann, seine 
Brust ist breitgewölbt und seine Haltung würdevoll. Kinder hat er 
gern, wie folgendes Beispiel zeigt: 
Kurz vor Weihnachten sah er vor einem Laden zwei kleine Knaben stehen, 
welche die dort ausgestellten Spielzeugwaren betrachteten. Der Kaiser fragte die 
Knaben: „Nun, was gefällt euch denn am besten?", worauf der eine schnell ant¬ 
wortete: „Das Schiff dort!" Der Kaiser erwiderte: „Da könnt ihr es euch ja zu 
Weihnachten wünschen!" Der Kleinere entgegnete aber: „Mein Vater ist nicht so 
, reich, daß er uns so teure Spielsachen kaufen kann." Da trat der Kaiser in den 
| Laden, kaufte das kleine Dampfschiff und schenkte es den Knaben. Erfreut eilten 
dieselben mit dem unerwarteten Weihnachtsgeschenk nach Hause, und erst später 
I® erfuhren sie, wer der freundliche Geber war. 
Große Freude hat der Kaiser den Kindern der Stadt Berlin bereitet, als sie 
hörten, daß er für sie am Vorabende seines Geburtstages eine Theatervorstellung 
geben ließe. Da nun das Theater für so viele Kinder zu klein war, so konnten 
nur die artigsten Schüler und Schülerinnen dahin geschickt werden. 
Auch gegen seine Untergebenen hat unser Kaiser sein mildes Herz 
schon oft offenbart, wovon ein Beispiel: 
Einmal begegnete er einem Soldaten, der laut singend mit seinem Säbel 
umherfocht. Der Kaiser blieb stehen und fragte: „Aber, Mann, was machen Sie 
denn da?" Der erschrockene Soldat grüßte und erwiderte: „Ich war bei. Muttern 
' zum Geburtstage." Der Kaiser lächelte gutmütig, rief eine Droschke an und gab 
dem Soldaten ein Dreimarkstück mit den Worten: „Nun lassen Sie sich rasch nach 
Hause fahren, damit Sie nicht in Unannehmlichkeiten kommen!" 
Gewöhnlich hält sich unser Kaiser in seinem Schlosse zu Berlin 
auf, wo er oft bei Nacht schreibt und anordnet, was zu unserem Wohle 
erforderlich ist. Geht oder fährt er zu feiner Erholung aus, so wird 
- er von allen, die ihm begegnen, ehrfurchtsvoll begrüßt; selbst Blumen 
werden ihm „aus treuer Lieb'" überreicht. 
■ Der Kaiser ist ein lieber Maun, j Und brächt’ die schönsten Blümchen ihm, 
Er wohnet in Berlin. I Die ich im Garten fand. 
^ Und wär' das nicht so weit von hier, | 
\ So ging’ ich heut’ noch hin. ' , Und sagte dann: „Ans treuer Lieb’ 
i Bring’ ich die Blümchen dir." 
I Uud was ich bei dem Kaiser wollt'? — Und dann lies’ ich geschwinde fort 
^ Ich reicht’ ihm meine Hand ; Und wär' bald wieder hier.
	        
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