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ãlteren geologischen Periode unserer Erde übrig geblieben zu sein;
und so rũhrend diese dürftigen Zeugen der unerschöpflichen Liebe
des Menschen zur Mutter Erde gerade hier wirken, so dienen doch
diese Reste fruchtbarer Natur zugleich dazu, die unfruchtbare
WVüstheit dieses merkwürdigen Landes so recht zum Bewubtsein
zu bringen. Immer herrscht hier eine trübe, schwere Luft, und
mãchtige Rauchfahnen flattern über dem Mastenwalde der Schorn-
steine. Kaum an einer Stelle weitet sich der Horizont aus, ver-
schwinden die Schornsteine, tritt die lebendige Natur in ihr volles
Recht. Werk schließt sich an Werk, Hütte an Hütte, Stadt an
Stadt — der ganze Bezirk ist nur noch eine einzige Riesenstadt,
dessen Bevölkerung hin und her wogt und gleichsam das ganze
Revier als seineé Heimat betrachtet. Hier wachsen Kinder auf,
die sich die Natur nicht anders denken können, als besteckt mit
Schornsteinen und von Rauch umwallt; und von einem echten,
alten Bochumer wird erzählt, dabß er im Gespräche über eine schöne
Rheingegend gesagt habe: „Ja, das ist alles recht hübsch, aber es
sind Keine Schornsteine da.“
3. So ist das Bild, das der ãsthetische Betrachter vom schwar-
zen Revier erhält, wohl ein unerfreuliches. Und doch wäre seine
Betrachtungsweise um so einseitiger und ungerechter, als eben
diese zyklopische Welt zugleich auch wieder Demente künstleri-
scher Schönheit enthält — Elemente einer ganz eigenen und
neuen Schönheit freilich, auf die wir unsere Augen erst einstellen
müssen. Aber wenn man diese unübersehbaren Hallen erblickt, in
deren bleichem Lichte sich Räder, Wellen, Treibriemen, Kolben
und Hebel zu einem einzigen riesenhaften Netze zu verschlingen
scheinen und in deren gewaltigen Dimensionen furchtbare Pisen-
hämmer uns leicht wie Vögel in der Luft zu schweben dünken;
wenn man diese Maschinen betrachtet, die ungeheuren lebendigen
Wesen gleichen und doch Sklaven sind, dié dem Griffe eines
winzigen Menschleins gehorchen; wenn man dann diese ganz gewal-
tige Maschinerie in Bewegung, die Riemen zittern, dié Hãmmer
sausend niederfahren, die Rãder in atemloser Eile sich drehen sieht:
dann begreift man, dann muß man begreifen, dab sich hier, wenn
auceh noch in unförmlicher Schale, unreif und unsicher, eine neue
Schönheit bildet — die Schönheit der modernen Arbeit.
4. Der Kohlenbergbau im Rubrbezirke ist wohl schon 600
Jahre alt. Es wird berichtet, das zu Dortmund im Jahre 1302
„die Gebrüder Henrich und Diederich von Aplerbecke haben ver-
kauft ihr Huuß bie 'nen Schüren gelegen mit aller seiner umb-
liggender Gerechtigkeit, Steinbrechen und Kollengrafften Boy-
mundo, den Priesster St. Peters und Pauls Altars binnen 8t.
Reinoldikirchen“; und was den Westteil des Ruhrkohlenbeckens
betrifft, so berichtot Runge über die Stiftungsurkunde eines Hospi-
tals für durchziehende Bettelmönche vom Jahre 1317, in der es