- 28 —
erforderlich mar, griff der.brave Grenadier kurz ent¬
schlossen in seine Tasche, holte sein Messer hervor
klappte die einzige Brotklinge auf und reichte das
Manövermesser seinem obersten Kriegsherrn hin
Lächelnd bediente der Kaiser sich des Messers und gab es
dann mit den huldvollen Worten: „Nun wird es wohl
ein Andenken werden", dem beglückten Grenadier zurück.
„Ich habe dich lieb."
Die herablassende Leutseligkeit unseres Kaisers auch
gegen Kinder und die Art und Weise, wie er denselben be¬
gegnet, ist einer der schönsten Züge seines Gemüts.
Aus den Dresdener Kaisertagen des Jahres 1889 er¬
zählt eine junge Dame aus Herford, die damals in Dresden
bei einer Freundin weilte, in einem an ihre Eltern gerichteten
Briefe folgenden hübschen Vorfall: „Sonntag hatten Grete
(die Dresdener Freundin der jungen Hersorderin) und ich
etwas geplant, was über Erwarten prächtig verlaufen ist.
Gretens kleines, reizendes Töchterchen sollte dem Kaiser auf
seiner Fahrt zum Festgottesdienst einen Rosenstrauß mit
Schleife überreichen. Auf der Schleife stand:
»Was soll ich dir sagen, was soll ich dir geben,
Ich hab' ein so kleines, so junges Leben,
Ich hab' ein Herzchen, das denkt und spricht:
>Jch habe dich lieb, mehr weiß ich nicht.«
Die kleine Grete."
Pünktlich war der Kaiser zur Stelle. Ein uns be¬
freundeter Herr trat auf den Damm, hob das weißgekleidete
Kind empor, und mit huldvollem Lächeln nahm der Kaiser
den Strauß entgegen, wobei er „wie reizend" sagte. Der
Kaiser war sichtlich erfreut, und wir verblieben nach seiner
Abfahrt in gehobenster Stimmung. Mit einem Mal ertönte
die Hausglocke. Der Oberst der Schutzmannschaft kam im
Allerhöchsten Aufträge zurück, überbrachte des Kaisers Gruß
und Dank und schrieb die Adresse auf. Heute bei der Ab¬
fahrt sah der Kaiser, als er bei unserem Haufe vorbeifuhr,
sofort zu unserem Fenster hinauf und grüßte und nickte uns
zu. Am anderen Tage aber erhielten wir den Besuch eines