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Kaiserin Auguste Viktoria,
geb. 22. Oktober 1858.
Auguste Viktoria als Helferin in der Not.
Als die Kaiserin Auguste Biktoria noch als Prinzessin
in Primkenau weilte und mit ihrer Schwester, der Prinzessin
Karoline Mathilde, einst einen Spaziergang machte, trafen
sie eine arme, alte Frau, die auf einer Karre eine Last
weiterschob.
Sobald aber der Weg eine Steigung annahm, hatte
das Mütterchen nicht Krast genug, um mit ihrer Karre
weiterzukommen. Doch ohne Bedenken eilten die Prin¬
zessinnen hinzu und halsen der Frau die Karre
weiters chieben.
„Wenn ich eine Prinzessin wäre!"
Als die Prinzessin Auguste Viktoria erwachsen war,
linderte sie von ihren Ersparnissen gern die Not der Armen,
suchte Kranke aus und scheute sich nicht, in die niedrigsten
Hütten zu gehen, um Hilfe und Trost zu bringen.
Schon gleich nach ihrer Einsegnung (22. Mai 1875)
rettete unsere Kaiserin eine arme Familie in Primkenau aus
bitterer Not.
In einem Hintergebäude dieses Ortes wohnte nämlich
ein armer Weber, der durch Krankheit sehr heruntergekommen
war, und wenn seine Kinder um ein Stücklein Brot baten,
so traten sowohl dem armen Manne wie auch der Frau oft
die Thränen in die Augen, weil bei ihnen Schmalhans als
Küchenmeister herrschte.
Am Einsegnungstage unserer Kaiserin war auch des
armen Webers Töchterlein Martha zur Kirche gegangen und
hatte sich unter die Neugierigen vor dem Gotteshause gestellt,
um zu sehen, wie die hohen Herrschaften vorfahren würden.
Bald kam denn auch der Herzog Friedrich Christian mit
seiner Gemahlin Adelheid an, und als kurz darauf die beiden
Prinzessinnen im Wagen vorführen, rief Martha vor Staunen
aus: „Ach, wie herrlich, ach, wie schön, könnte ich doch auch
eine solche Prinzessin sein!"