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Zugänge finden, sich mit ihrem scharfen Gebisse Wege zu eröffnen. Sie
treiben ihr Wesen am liebsten bei Nacht. Sie sind klug und vor⸗
sichtig, listig und mutig, aber auch dreist, frech und unverschämt. Ihre
Sinne sind durchgehends fein, wenn auch der Geruch und das Gehör
die übrigen bei weitem übertreffen.
Ihre Nahrung besteht aus allen eßbaren Stoffen des Pflanzen⸗
und Tierreichs. Samen, Früchte, Wurzeln, Rinde, Kräuter, Gras,
Blüten, welche ihre natürliche Nahrung bilden, werden nicht minder
gern von ihnen verspeist als Kerbtiere, Fleisch, Fett, Blut und Milch,
Butter und Käse, Haut und Knochen. Was sie nicht fressen können,
zernagen und zerbeißen sie wenigstens, und auch dadurch richten sie
oft großen Schaden an.
140. Die Stadtmaus und die Feldmaus.
Eine Stadtmaus ging spaziéeren und Kam zu einer Feldmaus,
die tat ihr gütliehn mit Eicheln, Gerste, Nüssen, und wowmit sie
sonst kKonnte. Aber die Stadtmaus sprach: „Du bist eine arme
Maus. Was willst du hier in Armut leben? Komm mit mir, ich
will dir und mir genug schaffen von allerlei kKöstlicher Speise.“
Die Feldmaus zog mit ihr hin in ein herrliches, schönes Haus,
in dem die Stadtmaus wohbnte. Sie gingen beide in die Vorrats-
kammer. Da war vollauf Brot, Käse, Speck, Wurst, Butter und
dergleichen. Da sprach die Stadtmaus: „Nun iss und sei guter
Dinge; solche Speise habe ich täglich im Überfluss.“ Indessen
Kkommt der Kellner und rumpelt mit den Schlüsseln an der Tür.
Die Mause erschrecken und laufen davon. Die Stadtmaus fand
bald ihr Loch, aber die Feldmaus wusste nirgend hin, lief ängst-
lich die Wand auf und ab und brachte Kaum ihr Leben davon.
Als der Kellner wieder hinaus war, sprach die Stadtmaus:
„Es hat nun keine Not, lass uns wieder guter Dinge sein!“
Die Feldmaus antwortete aber: „Du hast gut reden, du wusstest
dein Loch schon zu treffen, während ich schier vor Angst ge-
sgtorben bin. Ieh will dir sagen, was meine Meinung ist: Bleibe du
eine reiche Stadtmaus und friss Würste and Speck; ich will ein
armes Feldmäuslein bleiben und meine Kicheln essen. Du bist
keinen Augenblick sicher vor dem Reéellner, vor den Katzen, vor
den Fallen; ieh aber bin daheim sicher und frei in meinem win-
xigen Feldlöchlein.“