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Die deutsche Kaiserzeit.
daß Herzog Leopold von Österreich den aus dem Kreuzzug zurück¬
kehrenden König Richard Löwenherz gefangen nahm x). Heinrich VI.
nutzte die Gefangenschaft durch harte Freiheitsbedingungen gründlich
aus. Richard mußte ein hohes Lösegeld versprechen, die englische Krone
als Lehen nehmen und die Verbindung mit Tancred aufgeben. Die nieder¬
rheinischen Fürsten unterwarfen sich, auch mit den Welfen kam die Aus¬
söhnung zustande durch die Liebesheirat zwischen Heinrich, dem Sohne des
Löwen, und Agnes, einer Base des Kaisers. Einige Monate später starb
Heinrich der Löwe und wurde im Dom von Braunschweig begraben.
@runter‘US Erwerbung Unteritaliens. Nun konnte der Kaiser seine
Italiens, alten Pläne bezüglich des Normannenreiches mit ganz anderem Nachdruck
von neuem aufnehmen. Dort war sein, Gegner Tancred gestorben; ohne
große Mühe bemächtigte sich Heinrich des Reiches und ließ sich am Weih-
1194.nachtsfeste 1194 in Palermo zum Könige krönen. Die Familie Tan-
creds schickte er in das Kloster Hohenburg im Elsaß, den großen norman¬
nischen Königsschatz auf die Burg Trifels. Was seine Vorgänger erstrebt
hatten, hatte er erreicht, ganz Italien stand unter seiner Herrschaft.
^Weit-^ e) Wtn die Machtstellung seines Hauses zu sichern, strebte er dar-
stellung. nach, die deutsche Krone erblich zu machen und die sizilische dauernd
mit der deutschen zu verbinden. Aber dieser Plan scheiterte an dem
Widerspruch der deutschen Fürsten und des Papstes. Um so mehr suchte
er seine kaiserliche Oberherrschaft zur Geltung zu bringen. Der mächtigste
Herrscher Europas, Richard Löwenherz, dem auch ein großer Teil Frank¬
reichs gehorchte, trug feine Krone als Lehen des Kaisers; Burgund ge¬
hörte zum Reiche, auch in Arragonien suchte der Kaiser seinen Einfluß
geltend zn machen. Von Sizilien, dem Mittelpunkte des Mittelländischen
Meeres, aus spann er seine Pläne hinüber nach Afrika und Asien; die
Könige von Armenien und Cypern erkannten ihn als Lehnsherrn an, der
oströmische Kaiser zahlte einen Tribut. Ein wohlvorbereiteter Kreuzzug,
an deffen Spitze der Kaiser sich stellte, sollte die Macht und Herrlichkeit
des Kaisers im Orient zeigen und die Einheit des römischen Kaisertums
wiederherstellen. Schon verließ die Kreuzflotte mit großen Feierlichkeiten
Kan°r?n97.Sizilien, da starb Heinrich VI. plötzlich in Palermo und wurde iu der
dortigen Kathedrale beigesetzt.
§ 59. Die Chronwirren in Deutschland, a) Der Tod des Kaisers
war für das deutsche Reich verhängnisvoll; überall erhoben sich die Gegner,
die seine machtvolle Persönlichkeit klug im Zaume gehalten hatte. Seine
Witwe Constanze blieb mit ihrem dreijährigen Söhnchen in Sizilien und
suchte durch Begünstigung der nationalen normannischen Bestrebungen ent¬
gegen den Absichten Heinrichs VI. die Trennung Unteritaliens vom Reich
') Richard wurde über ein Jahr lang in Trifels in der Pfalz in ritterlicher
Haft gehalten. — Sage vom Sänger Blondel.