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Der Vater schickte ihn schon mit dem siebenten Jahre in die lateinische
Schule, in der er einen guten Grund für eine tiefere Bildung legte.
Nachdem er acht Jahre lang diese „hohe Schule" besucht hatte,
kam er fünfzehnjährig zu einem Schuhmacher in die Lehre. Uns heut¬
zutage würde es wunder nehmen, wenn ein fünfzehnjähriger Jüngling,
nachdem er das Gymnasium besucht hat, in einer Schusterwerkstätte
lernen miißte, wie der Pechdraht zu drehen, wie die Ahle zu handhaben,
wie das Leder weich und geschmeidig zu klopfen ist. In jener Zeit war
dies anders. Daß der begabte, strebsame Jüngling nicht höher hinaus
wollte, hängt sicherlich mit der hohen Achtung zusammen, die damals
das Handwerk bei allen Schichten der Bevölkerung genoß. Übrigens
gestattete dem nach geistiger Beschäftigung verlangenden Lehrling auch
sein Lehrmeister abends den Leineweber Leonhard Nunnenbeck zu besuchen,
um dort die Gesangsregeln der Meistersänger zu erlernen. Sachs gewann
an diesem achtbaren Bürgersmann einen treuen Lehrer, Ratgeber und
Freund, der seinerseits die größte Freude an dem hoffnungsvollen
Schüler hatte.
Nach vollendeter Lehrzeit begab sich der junge Geselle auf die
Wanderschaft, durchstreifte sein deutsches Vaterland nach allen Richtungen
und verfehlte nicht, in den Städten die Gesangsschulen zu besuchen, um
sich in der edlen Dichtkunst fortzubilden. In München dichtete er,
21 Jahre alt, seinen ersten Meistergesang, wanderte dann nach Würz¬
burg, Frankfurt, Straßburg, Koblenz, Köln, Aachen, Osnabrück bis nach
der freien Handelsstadt Lübeck im Norden.
Dann kehrte er nach fünfjähriger Wanderschaft in die alte, liebe
Vaterstadt zurück, machte dort alsbald sein Meisterstück und errichtete
seine Werkstätte in einem Hause vor dem Frauenthor. Da er auch
als ein tüchtiger und fleißiger Handwerker sich erwies, der sich ans
das Schuh- und Stiefelmachen wohl verstand, so nährte das Handwerk
seinen Mann und gewährte manchen Überschuß; diesen hielt der junge
Meister wohl zu Rate, um Mittel zur Anschaffung von Büchern zn
gewinnen, Am 1. September 1519 machte er Hochzeit mit einer
Biirgerstochter aus Wendelstein bei Nürnberg, mit welcher er vierzig
Jahre in glücklicher Ehe lebte; er erwarb sich ein so ansehnliches Ver¬
mögen, daß er sich ein eigenes Haus im Mehlgäßleiu, jetzt Hans
Sachs-Straße genannt, kaufen konnte. Dabei arbeitete er unablässig
an seiner Fortbildung, förderte, wo und wie er konnte, das Wohl seiner
Mitbürger, die ihn liebten und ehrten; ganz besonders aber lag ihm die