Full text: Das Altertum (Bd. 1)

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Lebensbesch reibung seines Schwiegervaters Agricola, 
der unter den drei slavischen Kaisern durch Kriegszüge in Britannien, 
durch die treffliche Verwaltung dieses Landes sowie durch die Bescheiden¬ 
heit seines Auftretens sich hohen Ruhm erworben hatte. Tacitus erzählt 
im ersten Teile des Buches den Bildungsgang Agricolas bis zur Über¬ 
nahme des Oberbefehls in Britannien; im zweiten wirft er einen Blick 
auf die früheren Versuche das Land zu unterwerfen (z. B. auf den des 
Cäsar) und schildert dann die Thaten seines Helden; im dritten verfolgt 
er dessen Leben bis zu seinem Ausgange. — Dieses Büchlein war aber 
nur Vorläufer der großen Werke, der Hi ft orten und der Annalen. 
In den ersteren behandelt er die Regierung des Vespasian, Titus und 
Domitian; es ist aber nur ein sehr kleiner Teil davon erhalten. Besser 
steht es um die Annalen, *) welche die Zeit vom Tode des Augustus 
bis zum Tode des Nero umfassen. Hier fehlt nur die Mitte und das 
Ende. Mit erschütterndem Ernste richtet der hochsinnige Schriftsteller über 
die Laster und Verbrechen dieser Fürsten mit der bestimmt ausgesprochenen 
Absicht, durch die darauf haftende Schmach die Nachwelt davon abzu¬ 
schrecken. Die sittliche Strenge, welche dieser in altrömischen Vorstellungen 
wurzelnde Mann als Maßstab bei seiner Beurteilung anlegte, hat ihn 
freilich zu einer in unwesentlichen Punkten nicht ganz unparteiischen Dar¬ 
stellung der Kaiserzeit verleitet; er hebt nur die Schattenseiten hervor, 
ohne in gleicher Ausführlichkeit die Vorzüge zu erwähnen, welche diese 
vor der früheren republikanischen Regierung z. B. in der besseren Ver¬ 
waltung der Provinzen doch auch besaß. Aber im ganzen ist er redlich 
bemüht gewesen die Wahrheit zu ermitteln und zu überliefern. — Wäh¬ 
rend er m diesen Schriften den Verlust der Sittenreinheit seines Volkes 
bitter beklagt, hält er ihm in dem Schristchen über den Ursprung, 
die Sitten und Lage Deutschlands, kurzweg Germania ge¬ 
nannt, den Spiegel eines unverdorbenen Volkstums vor. Er erkennt 
die große Gefahr, welche von diesem jugendkräftigen Volke der Germanen 
dem römischen Staate droht, vollkommen. „Nicht die Samniten," ver¬ 
kündete er, „nicht die Punier, nicht die Spanier oder Gallier, selbst bie 
Parther nicht, haben uns so oft bedroht. Aber gewaltiger auch, als des 
Partherkönigs Macht, ist die Freiheit der Germanen." Die einzige 
Hoffnung auf Rettung beruht nach ihm nicht auf den Heeren Roms, 
sondern auf der Zwietracht der Feinde. — So bewundernswert auch 
der tiefe Blick ist, mit dem Tacitus die Zukunft ergründet, bedeutsamer 
ist das Schristchen noch als reichste Quelle für die ältesten Zustände 
gerade desjenigen Volkes, das nunmehr in den Mittelpunkt der Geschichte 
eintritt. — 
*) Eine Stelle daraus steht S. 129. 
G. P ci tz'sche 23iid;belieferet (Otto Hcruthal) in Naumburg a/S.
	        
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