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reichte ein Edelknabe den Gästen Waschwasser zum Waschen der Hände-
Das war sehr nötig, weil Gabeln noch nicht im Gebrauche und Messer
nur in geringer Anzahl am Tische vorhanden waren. Man faßte das
Fleisch mit den Fingern an. und Brei aß man, indem man Brotstücke
mit den Fingern in die Schüssel tauchte. Auch nach dem Essen er¬
schien daher ein Edelknabe mit dem Waschbecken, und ein anderer reichte
das Handtuch dar.
Von einem Unterrichte, wie ihn jetzt deutsche Knaben erhalten,
war bei den Edelknaben nicht die Rede. Lesen und schreiben konnte
ein Ritter sehr selten; wenn ein Ritter einen Brief bekam, mußte er
gewöhnlich warten, bis der Burgkapellan oder sonst jemand ihm den¬
selben vorlas. Wollte er jemand brieflich eine Nachricht geben, so
mußte wieder der Geistliche auf der Burg den Brief schreiben. Öfter
als die Knaben lernten die Mädchen lesen und schreiben, und sie
wurden darin von dem Kapellan unterrichtet. Alle aber, Knaben und
Mädchen, unterrichtete der Geistliche wenigstens in den Hauptstücken
der christlichen Religion. Durch Vor- und Nachsagen lernten sie das
Vaterunser, das Ave Marin und etliche andere Gebete, auch den christ¬
lichen Glauben und die zehn Gebote. Der Geistliche erzählte ihnen
auch vom Herrn Jesus, von seiner Geburt im Stalle zu Bethlehem,
von seinem Kreuzestode und von seiner Auferstehung, und er zeigte
ihnen Bilder, auf denen das alles abgebildet war. Damit war aber
das Lernen für einen Ritterknaben abgeschlossen.
5. War der Knabe vierzehn Jahre alt, so begann ein neuer Ab¬
schnitt in seinem Leben, er wurde nun Knappe. Als solcher sollte
er seine ritterliche Zucht im Dienste der Frauen und seine ritterliche
Waffentüchtigkeit im Dienste des Herrn mit der That erweisen. Die
für die Herrin zu leistenden Dienste mehrten sich; insbesondere hatte
der Knappe die Falken zu pflegen, deren die Herrin zur Jagd be¬
durfte. Und ritt man zur Jagd aus, so mußte der Knappe den Fal¬
ken, der mit einem Kettchen am Fuße gefesselt war und dem man eine
lederne Kappe über den Kopf gezogen hatte, auf der Hand tragen, bis
er ihn am Orte der Jagd der Herrin übergab, die dann den Falken
vom Kettchen löste und ihm die Haube abnahm. War der Falke in
die Lüste aufgestiegen und hatte er, aus der Höhe niederstoßend, einen
Vogel erlegt, so hatte der Knappe das erlegte Wild und den wieder
eingefangenen Falken zurückzubringen.
Auch die Dienste für den Herrn mehrten sich. Der Knappe hatte
für die Reinhaltung und den Glanz der Rüstung und der Waffen zu
sorgen, die Rüstkammer zu beaufsichtigen, die Pferde zu pflegen und
den Herrn auf die Jagd, zum Turnier und in den Krieg zu begleiten.
Auf solchen Fahrten trug er die Lanze des Herrn und führte das
Streitroß am Zügel neben sich, denn die Ritter hatten immer neben
dem Rosse, auf dem sie den Weg zurücklegten, noch ein zweites bei
sich, das sie erst kurz vor dem Kampfe bestiegen, und das dann noch