Full text: Deutsche Geschichte bis zum Ausgang des Mittelalters (H. 2)

2. Das Zeitalter der sächsischen Kaiser. 
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und des Reiches. Da sie Geld oder Geldeswert lieferten, erhielten sie 
von selbst Einblick in dessen Verwendung zu Familien- oder Reichszwecken, 
d. H. in die Reichsverwaltung. So wird erklärlich, daß ihnen bei Thron- 
erledigungen oder Minderjährigkeit des Thronerben die Reichsverwaltung 
übertragen wurde. 
Rückblick. 
Von 919 — 1024, länger als ein Jahrhuudert, haben die Kaiser aus 
dem Stamme Widukinds das Deutsche Reich mit Ruhm beherrscht. Be¬ 
günstigt vom Hose, blühten die Klofterfchulen wieder auf, die unter der 
schwachen Regierung der letzten Karolinger nur ein kümmerliches Dasein 
gefristet hatten. Nicht nur die Söhne, auch die Töchter der vornehmen 
Geschlechter genossen in den Klosterschulen Erziehung und Unterricht. 
Prinzessinnen des Kaiserlichen Hauses standen nicht selten den Frauen¬ 
klöstern als Äbtissinnen vor. In Gandersheim unterrichtete Gerberge, 
eine Tochter Ottos I., die Nonnen in der lateinischen Sprache. Alles, 
was die Knaben in den Schulen der Mönche lernen mußten, lernten die 
Mädchen in den Frauenklöstern von den Nonnen. Das gewöhnliche 
Kommuniongeschenk für ein im Kloster erzogenes Mädchen war ein 
lateinisches Gebetbuch. An Erziehung und Bildung standen die Mädchen 
der vornehmen Familien den Jünglingen gleich. Dabei wurden die 
eigentlich weiblichen Arbeiten nicht vergessen. Als Otto der Große, mit 
der Kaiserkrone geschmückt, ans Italien heimkehrte, besuchte er in der 
Kirche St. Alban zu Mainz das Grab seiner inzwischen verstorbenen 
Tochter Liutgarde, und über dem Grabmal sah er die goldene Spindel 
hängen, die dem fleißigen Königskinde bei der Arbeit gedient hatte. 
Wegen ihres heiligmäßigen Wandels und ihrer reichen Schenkungen 
an Kirchen, Klöster uud Arme wurden Kaiser Heinrich II., Königin 
Mathilde, Heinrichs I. Gemahlin, Kaiserin Adelheid, Ottos I. Gemahlin, 
Kaiserin Kunigunde, Heinrichs II. Gemahlin, von den Päpsten in die 
Zahl der Heiligen der katholischen Kirche ausgenommen. 
Im Kloster zu Gandersheim lebte auch die älteste Dichterin der 
Deutschen, die Nonne Roswitha. In lateinischer Sprache hat sie eine 
Geschichte ihres Klosters verfaßt und die Taten Ottos I. beschrieben. 
Beide Werke sind wichtige Quellen für die Geschichte der damaligen Zeit. 
Außerdem schrieb sie Legenden und Komödien, in denen sie mit Vor¬ 
liebe das weibliche Märtyrertum darstellt und die Heldenstärke preist, die 
das schwache Weib durch den Glauben gewinnt. 
Die ottonischen Kaiser waren mächtige Förderer der Städte. Die 
Verbindung mit Italien kam der gewerblichen Tätigkeit uud dem Handel 
zugute. Im Harz wurde Bergbau getrieben; Leinwand, Leder, Metalle 
wnrden kunstvoll verarbeitet und in den Handel gebracht. Die Bischöfe
	        
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