Object: Die Weltgeschichte in übersichtlicher Darstellung

§.91. B. Die griechische Welt. 71 
gelehrten Stud ien und die praktischen, aufErfahrung undForschung 
beruhenden Wissenschaften zu großer Blüthe. Gelehrte Kritiker und 
Grammatiker ordneten uud erklärten die altern griechischen Werke; Naturkunde und 
mathematische Wissenschaften, Geographie und Astronomie, die 
früher nur in den ersten Anfängen vorhanden waren, wurden ausgebildet. Euklides, 
ein Zeitgenosse der ersten Ptolemäer, verfaßte ein Lehrbuch der Geometrie, das 
Jahrhunderte lang beim Unterricht gebraucht wurde; die Astronomie und mathe- 
matische Geographie fanden Bearbeiter an dem vielseitigen Eratosthenes, Eratost»--- 
dem gelehrten Begründer einer zuverlässigen Zeitrechnung, und an dem tiefen c. 230. 
Forscher Hipparch; der Syrakusaner Archimedes hat sich durch seine Ent- '8 
bedungen in der Mechanik und Physik nnsterblid)en Ruhm erworben, und die 
zuerst von Hippokrates wissenschaftlich begründete Heilkunde wurde von den 
alexandrinischen Aerzten vollkommener ausgebildet. Bor Allem aber fand die 
Philosophie Pflege. Da die heidnische Religion in ihrer Verfallenheit keine Philosophie. 
Ruhe für die Seele und keinen Halt für das Leben gewährte, so flüchtete man sich 
in die Philosophie. Man bildete die Lehrsätze der großen Weltweisen der früheren 
Zeit weiter aus und machte sie zur Richtschnur des Lebens und Handelns. So ent- 
standen die Philosophenschulen, die std) theils an Plato uud Aristoteles 
anlehnten, theils Sdjüler des Sokrates oder andere Weise zu Stiftern hatten. Unter 
diesen Philosophenschnlen sind die Stoiker und die Epikureer am berühmtesten 
geworden. Svkrates hatte nämlich gelehrt, daß die Glückseligkeit der Zweck 
des Lebens sei. Sein Schüler Antisthknes glaubte, daß man die Glückseligkeit»niMa«*. 
am sichersten erreiche, wenn man allen Genüssen entsage, und stellte daher Bedürsniß- 
losigkeit, Genügsamkeit und Entbehrung als höchstes Ziel des menschlichen Strebens 
hin. Am weitesten ging hierin sein Schüler Diogenes, der in einer Tonne lebte, Di-gems. 
alle Güter und Lebensgenüsse freiwillig von sich warf und ein „Heldenthum der Ent¬ 
behrung" ausübte, weldjes die Bewunderung des großen Alexander erregte. Man 
nannte diese Schule die cynische von dem Ort, wo Antisthenes lehrte; darauf an- 
spielend, belegte man den Diogenes mit dem Namen Cyon (Hund), weil das arme, e^itcr. 
genußlose Leben, das er führte, und die Gleichgültigkeit gegen äußere Bildung, Sitte 
und Anstand mehr für einen Hund, als für einen Menschen zu passen schien. Diese 
Lehre liegt in veredelter Gestalt der stoisd)en Philosophie zu Grunde, die Stcik-r. 
Zeno (c. 320), ein Zeitgenosse Alexanders, in der Säulenhalle (Stoa) zu 
Athen vortrug. Nad) seiner Lehre gelangt der Mensd) nur dadurch zur Glückselig- 
keit, daß er alle Geschicke und Wed)selsälle des Lebens, Freude und Schmerz, Glück 
uud Unglück mit unerschütterlichem Gleichmnthe erträgt, was um so mehr seine 
Pflicht ist, als nach stoischer Ansid)t Alles durch eine ewige Naturnotwendigkeit 
oder Verhäng niß(Fat um) von Anbeginn an genau vorausbestinnnt ist. — Im 
Gegensatz zu dieser Richtung stellte ein anderer Schüler des Sokrates, A r i st i p p von «ristipv. 
Cyrene, den Genuß des Lebens als obersten Grundsatz auf, und lehrte die Kunst, 
die geistigen und sinnlid)en Genüsse weise mit einander zu verbinden. Von seinem 
Sd)üler Epikur (f 270) wurde diese Kunst des Genießens in ein Lehr- 
gebäude zusammengefaßt, das viele Anhänger zählte. Während aber Epikur die Ep'kurecr. 
Glückseligkeit in ein „Freiseiu von allen schmerzhaften, die Zufriedenheit störenden 
Zuständen" setzte, überschritten seiue Anhänger die Linie der Mäßigung, stellten Wohl- 
leben und Befriedigung der sinnlid)en Lüste als Lebenszweck hin und bildeten den 
Epikureismus zur Philosophie der Verweichlichung und Wollust aus.
	        
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