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solle seine Predigt verboten sein." So hatte das evangelische Bekenntnis
siegreich seinen Einzug in die Stadt gehalten, und Luther konnte mit
Recht rühmen, daß er keine Stadt am Harze oder sonstwo kenne, die
sich dem Evangelium sobald unterworfen habe.
26. Luther in Uordhauseu.
1. Luther selbst ist zweimal in Nordhausen gewesen. Als er das
erste Mal unsere Stadt betrat, gehörte er noch dem Augustinerorden
an. Der Generalvikar dieses Ordens in Sachsen, Dr. Joh. v. Staupitz,
mutzte 1516 im Aufträge seines Kurfürsten, Friedrichs des Weisen, nach
den Niederlanden gehen. Da übertrug er dem Ordensbruder Dr. Luther
die Visitation der Klöster seiner Provinz. So kam Luther in demselben
Jahre auch nach Nordhausen, predigte in der Augustinerklosterkirche
und ermahnte die Mönche zum fleißigen Lesen der heiligen Schrift und
zu einem frommen Leben.
2. Als Luther das zweite Mal Nordhausen besuchte, stand er
schon mitten im Kampse. Im April des Jahres 1525 war er mit
Melanchthon von Wittenberg nach Eisleben ^gereist, um dort eine
Schule einzurichten. Da hörten sie, daß in Stolberg Bauernunruhen
ausgebrochen seien. Sogleich reiste Luther dahin, predigte dort und
stellte durch sein mächtiges Wort die Ruhe wieder her. Als Ehrengabe
überreichte ihm hier der Rat vier Stübchen rheinischen Weines und vier
Stübchen Einbecker Bieres. Von Stolberg reiste Luther nach Nord¬
hausen, da auch hier schon die Gemüter erregt waren.^ Luther bekam
selbst eine Probe von der großen Aufregung in der Stadt; denn als
er während der Predigt mahnend auf das Bild des gekreuzigten Christus
wies, wurde er von etlichen Zuhörern verhöhnt, die dazu mit Glocken
klingelten, und wenig fehlte, so brach mitten in der Predigt der Sturm
los. Während dieses Aufenthaltes in Nordhaufen wohnte er bei feinem
Freunde Michael Meienburg, wo auch 22 Jahre später, als im schmal-
kaldischen Kriege Wittenberg belagert wurde, feine Witwe und feine
.Kinder mit ihrem Beschützer Melanchthon auf ber Flucht vor dem
Kaiser gastliche Aufnahme fanden.
27. Kulher und der Nordhauser Schuhmacher.
1. Seit Alters wird in Nordhaufen das Martinsfeft gefeiert; Gesang¬
vereine und Schulen ziehen auf den Marktplatz und fingen vor dem
Lutherdenkmale das alte Lutherlied „Ein' feste Burg ist unser Gott",
und von allen evangelischen Kirchen läuten dazu die Glocken. In den
Häusern aber ist hoher Festtag, und wer es irgend möglich machen
kann, bringt zu Abend das Festgericht aus den Tisch: Karpfen und Gänse¬
braten mit Blaukohl und dazu Wein. Aus allen Fenstern leuchten die
bunten Martinslichter, auf denen gar zierlich die Helden der Kirchen-
verbefferung abgebildet sind. Und jedes Haus öffnet sich gastlich dem
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