Full text: Sammlung von Quellenstoffen für den Unterricht in der Geschichte

— 108 — 
54. Der Staat unter frictsätfi Jllissipsm I. 
(Gesammelte Werke Friedrichs d. Gr. Zurbonsens Quellenbuch, S. 188.) 
Der Staat veränderte unter Friedrich Wilhelm fast ganz und gar 
seine Gestalt. Der Hof ward verabschiedet, und die großen Gehalte erlitten 
Schmälerungen; viele, die früher eine Kutsche gehalten hatten, gingen jetzt 
zu Fuße, daher es im Volke hieß, der König hätte den Lahmen die Beine 
wiedergegeben. Unter Friedrich I. war Berlin das nordische Athen, unter 
Friedrich Wilhelm ward es zum Sparta. Die ganze Regierung war mili¬ 
tärisch. Man vermehrte die Armee, und in dem Eifer der ersten Wer¬ 
bungen wurden einige Handwerker zu Soldaten genommen; dies verbreitete 
Schrecken unter die andern, die zum Teil die Flucht ergriffen. Dieser un¬ 
vorhergesehene Umstand that unseren Fabriken bedeutenden Schaden. Der 
König half dem Übel sogleich ab und widmete der Wiederherstellung und 
dem Fortgange des Gewerbfleißes besondere Aufmerksamkeit. Er verbot 
sehr strenge die Ausfuhr der Wolle. Er errichtete 1714 das Lagerhaus, 
ein Magazin, woraus die armen Fabrikanten die Wolle geborgt erhalten 
und mit der verarbeiteten bezahlen. Unsere Tuche fanden einen sicheren 
Absatz im Bedarfe der Armee, welche alljährlich neue Kleidung erhielt. 
Dieser Absatz verbreitete sich auch nach auswärts. Die russische Kompagnie 
ward im Jahre 1725 gebildet. Unsere Kaufleute lieferten die Tuche für 
alle russischen Truppen; aber die englischen Guineen kamen nach Rußland 
und bald darauf auch die englischen Tuche, so daß unser Handel einging. 
Anfangs litten dadurch unsere Manufakturen, aber es fanden sich andere 
Abgangskanäle. 'Die Arbeiter hatten nicht mehr einheimische Wolle genug. 
Man erlaubte den Mecklenburgern, die ihrige an uns zu verkaufen, und 
seit 1733 waren unsere Manufakturen so blühend, daß sie 44 000 Stück 
Tuche zu 24 Ellen nach dem Auslande absetzten. 
Berlin war gleichsam das Vorratshaus des Mars; alle für eine Armee 
brauchbaren Handwerker kamen daselbst empor, und ihre Arbeiten wurden 
in ganz Deutschland gesucht. Man errichtete bei Berlin Pulvermühlen, in 
Spandau siedelten sich Schwertfeger, in Potsdam Waffenschmiede und in 
Neustadt Eisen- und Kupferarbeiter an. Der König bewilligte allen, die sich 
in den Städten seines Reiches ansiedeln wollten. Freiheiten und Belohnungen. 
Er erweiterte die Hauptstadt um das ganze Viertel der Friedrichsstadt und 
bedeckte die Plätze, wo früher der Wald war, mit Häusern. Er erbaute 
Potsdam, welches damals kaum 400 Einwohner hatte, jetzt über 20 000 
zählt, und bevölkerte es. Er baute nichts zu eigenem Gebrauche, sondern 
alles für feine Unterthanen. Die damalige Bauart trägt durchweg den 
holländischen Geschmack: es wäre zu wünschen gewesen, daß die vielen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.