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Bilder aus der brandenburgisch-preußischen Geschichte.
gelangen sollten, falls die Herzöge von Cleve ausstürben, ohne männ¬
liche Erben zu hinterlassen. Hätte der Kaiser allerdings ahnen können,
daß der Kurfürst v. Brandenburg möglicherweise aus diesem Rechte noch
Vorteile gewinnen könnte, so wäre dasselbe jenem Herzog von Cleve
gewiß nicht erteilt worden. Zur Zeit Sigismunds herrschte ein geistes¬
kranker Herzog über Cleve, es war der Bruder der Gemahlin des
Herzogs von Preußen, dessen älteste Tochter die Gemahlin Johann
Sigismunds war. Die Gemahlin des Herzogs von Preußen hatte aber
bei ihrer Vermählung die Zusicherung empfangen, daß nach dem Tode
ihres Bruders ihr die Clevefchen Lande zufallen sollten. — Nach dem
Tode des geisteskranken Bruders mußte Cleve an Preußen fallen; da
aber die Herzogin von Preußen schon gestorben war, so mußte Sigismund
als Gemahl der ältesten Tochter diese Landesteile erben. Bald aber
stellte sich noch ein anderer Erbe ein, der auch Ansprüche zu haben
meinte. So entstanden nun bittere Streitigkeiten, doch endlich siegte
das Recht. Sigismund schloß mit den anderen Fürsten den Vertrag
zu kanten, durch welchen die Cleveschen Herzogtümer an Brandenburg
fielen. — So entfaltete der Hohenzollernaar seine Schwingen nach Osten
und Westen, und die Kraft des Protestantismus erfüllte die Schwingen,
so daß er allen Gefahren widerstehen konnte.
Fragen: 1. Welche beiden wichtigen Vertrüge schloß Joachim II.?
2. Was bedeutet das Jahr 1618 in der Geschichte
Preußens?
3. Warum hatte Sigismund ein Anrecht auf die Cleveschen
Länder?
4. In welcher Weise wurde der Streit um die Clevescheu
Lande geschlichtet?
m. Der 30jährige Krieg.
1. Ausbruch des großen Krieges. Durch den Religionsfrieden zu
Augsburg war den Evangelischen Religionsfreiheit und Rechtsgleichheit mit
deu Katholiken zugesichert worden. Seit diesem Frieden hatte die evan¬
gelische Lehre überall Eingang gefunden und in den Herzen der Volker
neues Leben geweckt. Auch ein großer Teil des böhmischen Volkes war zur
evangelischen Lehre übergetreten. Die Katholiken hatten mit haßerfülltem
Herzen das Wachsen der neuen Lehre wahrgenommen, konnten aber
ihrem Siegeslauf nicht mehr Einhalt thun. Im Jahre 1(308 hatte Kaiser
Rudolf II. den Majestätsbrief erlassen, durch welchen er den Evangelischen
in Böhmen das Recht verlieh, in ihrem Lande Kirchen und Schulen bauen zu