Bilder aus der älteren deutschen Geschichte.
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Reise zum Papst. Jetzt wußte sich der arme Kaiser weder zu
raten, noch zu helfen. Was sollte er thun? Endlich faßte er den Ent¬
schluß, nach Italien zu ziehen und die Gnade des Papstes zu erflehen,
dann würde vielleicht alles wieder gut werden. Es fehlte jedoch an
Geld zu der weiten Reise. Die alten Freunde, welche oft an feiner
Tafel geschwelgt hatten, gaben ihm nichts, und so mußte er ärmlicher
abreisen als ein gewöhnlicher Edelmann. Einige Tage vor Weihnachten,
mitten im strengsten Winter, trat der Kaiser die Reise an. Frau Bertha,
seine edle Gemahlin, mochte ihn nicht verlassen, obwohl Heinrich ihrer
Liebe nicht wert war, denn er hatte seine Gemahlin oft recht schnöde
behandelt und sich sogar mit dem Gedanken getragen, sie ganz und gar
zu verstoßen. Jetzt aber sollte er erst recht erfahren, welch' Kleinod ihm
in dieser Frau geschenkt worden war, denn sie schenete sich nicht vor den
Gefahren und Mühseligkeiten der langen Reise, sondern wollte mit dem
geliebten Gemahl jedes Ungemach getreulich teilen. Auch ihr einziges
Söhnlein nahmen sie mit, und so zog die Kaiserfamilie, nur von einem
kleinen Gefolge begleitet, nach Italien. Ihr Weg führte sie über die
hohen mit Schnee und Eis bedeckten Alpen. Die Reise war schon äußerst be¬
schwerlich, noch ehe man ins Gebirge gelangte; jedoch äußerst gefährlich
gestaltete sich die Reise über die hohen Alpenberge. Unter unsäglichen
Mühen klomm man hinauf; doch hatte man den Gipfel erreicht, so ging
die Not eigentlich erst an, denn es schien fast unmöglich, hinunter zu
kommen, da der Abhang äußerst glatt war. Man mußte jedoch hinunter,
und kostete es, was es wolle. So wurde denn nun der gefährliche Ab¬
stieg angetreten. Die Männer krochen auf Händen und Füßen und
mußten alles aufbieten, um nicht in tiefe Abgründe zu stürzen, die sich
ihnen rechts und links öffneten. Die unglückliche Kaiserin litt unsäglich.
Um die arme Frau mit ihrem Kind vor der Gefahr des Hinabgleitens
zu schützen, nähete man dieselben in Ochsenhäute und schleifte sie die
glatten Abhänge hinunter. Sehr beschwerlich gestaltete sich auch das
Fortschaffen der Pferde. Es blieb weiter nichts übrig, als daß man den
armen Tieren die Füße zusammenband und sie nun an Seilen hinab¬
gleiten ließ, was den meisten Tieren das Leben kostete. Endlich hatte
man die italienische Ebene erreicht, wo die arme Kaiserfamilie im Hanfe
der Mutter Bertha's, der Markgräfin Adelheid v. Susa, gastliche Auf¬
nahme fand. Bald aber begann die zweite Angst für den unglücklichen Kaiser.
Auf dem Schlohhofe zu Kanossa. Heinrich vernahm, daß sich Gregor
in dem sesten Schlosse Kanossa aufhielte. Hierhin wollte er feinen Weg
lenken, um Vergebung seiner Sünden zu suchen. Gregor erschrak anfangs,
als er hörte, daß der deutsche Kaiser Heinrich Eine; doch als er ver-