Bilder aus der brandenburgisch-preußischen Geschichte.
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3. Im Kloster. Das Kloster, meinte er, sei die rechte Stätte,
wo man sich durch gute Werke den Himmel verdienen könne, denn die
Wahrheit, daß der Mensch nur durch den Glauben an Jesum Christum selig
wird, hatte noch nicht seine Seele ergriffen. Er führte mit der größten
Gewissenhaftigkeit alle Arbeiten aus, welche ihm im Kloster zuerteilt
wurden; ja, er scheuete sich nicht, die niedrigsten Dienste zu verrichten;
so reinigte er die Kirche, besorgte die Klosteruhr und diente als Pförtner
an der Thür des Klosters. Wenn er sein Tagewerk vollbracht hatte, zog
er mit dem Bettelsack durch die Straßen der nahen Dörfer und bettelte
für das Kloster; denn dasselbe war ein sogenanntes „Bettelkloster", und
seine Mönche erhielten sich durch die Gaben, welche die barmherzige
Liebe ihnen spendete. — Vor allem aber betete Luther sehr viel und quälte
außerdem seinen Leib durch allerlei Martern, die er sich selbst auferlegte,
um sich die Seligkeit zu verdienen. Daher konnte er von sich sagen:
„Ist je ein Mönch durch Möucherei in den Himmel gekommen, so wollte
ich auch hineingekommen sein." Durch all' diesen äußeren Werkdienst
fand er aber den Frieden seiner Seele nicht, und das machte ihn so
unendlich traurig, daß er der Verzweifelung nahe war. In diesem be¬
jammernswerten Zustande erschien ihm in einem Mönche ein rettender
Engel. Derselbe rief ihm zu: „Bruder Martin! ich glaube an eine
Vergebung der Sünden!" Da war es ihm, als fiele es ihm wie Schuppen
von den Augen. Nun wußte er, daß der Mensch nicht durch den
äußern Werkdienst, sondern durch den Glauben an Jesum Christum
Gnade und Heil erlange; jetzt verstand er voll und ganz das Wort:
„So halten wir es nun, daß der Mensch gerecht werde ohne des Ge¬
setzes Werke, allein durch den Glauben." In heißen Seelenkämpfen hat
der liebe Gott den Luther zu einem Mann erzogen, der geschickt war,
das reine Evangelium von Jesu Christo zu predigen und der Welt zu
verkündigen, daß nur allein der Glaube an den Heiland in den Himmel
führe. Im düsteren Kloster konnte er aber noch nicht ein Reformator
der christlichen Kirche werden; damit er das würde, führte ihn der Herr
nach Wittenberg, an einen Ort, wo fein Wirken von den größten
Folgen sein mußte.
4. In Wittenberg. Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen,
hatte nämlich zu Wittenberg eine Universität gegründet, für welche er
tüchtige Lehrer suchte. Br. Staupitz, der Oberaufseher der Augustiner-
klöster, empfahl dem Kurfürsten den Mönch Martin Luther, und somit
wurde derselbe zum Lehrer an der Universität und zugleich zum Prediger
an der Schloßkirche daselbst berufen. Hier erwarb er sich bald die
Würde eines Doktors d. h. Schrift. (D. Luther.) Durch seine Lehren