Full text: Erzählungen aus der vaterländischen Geschichte

Ter erste Kreuzzug. 
gelobten Landes innren, wurden die Pilger nicht gestört. Als aber bie Türken das 
heilige Land eroberten, wurden sowohl die einheimischen Christen als auch die Wall¬ 
fahrer hart gedrückt, ausgeplündert oder unmenschlich gemißhandelt. 
2. Peter von Amiens. Ergriffen von solcher Not, entschloß sich der Mönch 
Peter von Amiens, solchem Greuel abzuhelfen. Nachdem er aus dem gelobten 
Lande zurückgekehrt war, machte er die rührendsten Schilderungen von der Not 
der Christen im heiligen Lande. Der Papst versprach Unterstützung und trug dem 
Peter auf, Die Herzen des Volkes für die Hilfe zu begeistern. Peter fetzte sich 
alsbald barfuß und mit entblößtem Haupte, angethan mit einem grauen Pilger¬ 
kleide, das er mit einem Strick gürtete, auf einen Esel, nahm ein Kruzifix in die 
Hand und durchzog predigend Italien und Frankreich (1094). Wo er einen Haufen 
Menschen vor sich sah, hielt er sein Tier an, hob das Kruzifix in die Höhe und 
schilderte mit funkelnden Augen und hinreißender Beredsamkeit die Not der christ¬ 
lichen Brüder im heiligen Lande. Tausende gelobten, sich aufzumachen und die 
heiligen Orte den Händen der Ungläubigen zu entreißen. 
3. Der Papst Urban II. berief im Jahre 1095 eine Kirchenversammlung 
nach (Slennont im südlichen Frankreich. Tie ganze weite Ebene war mit Menschen 
angefüllt, die sich mit dem lauten Rufe: „Gott will es! Gott will es!" zum Kreuzzuge 
nach Palästina verpflichteten und sich durch Anheften eines roten Kreuzes aus die 
rechte Schulter zu diesem Zuge weihen ließen. Überall rüstete man; alles drängte 
sich herbei, das Kreuz zu nehmen. Bis zum August 1096 sollten die Rüstungen 
beendet fein; allein viele Ungeduldige mochten diesen Zeitpunkt nicht abwarten. 
Schon im Mai (1096) zogen zahlreiche ungeordnete Scharen unter Peter von 
Amiens und Walther von Habenichts voraus. Aber die meisten kamen aus dem 
Zuge um, teils durch Elend und Not, teils durch das Schwert feindlicher Völker, 
durch deren Gebiet sie zogen. 
Erster Krenzzug. Im August des Jahres 1096 brach das Hauptheer 
auf. 1er gepriefenfte der Heerführer war Gottfried von Bouillon; ihm zur 
Seite standen fein Bruder Balduin, Robert von Flandern, Raimuud von 
Toulouse und viele andere edle Ritter. Die Zahl der Streiter soll gegen 600,000 
betragen haben. Sie setzten glücklich über den Bosporus, die Meerenge bei Kon- 
stantinopel, eroberten im Juni 1097 die Stadt Nicäa, nahmen im folgenden 
Jahre auch Antiochien ein und näherten sich dann unter taufend Mühseligkeiten 
und Gefahren ber Hauptstadt Jerusalem, dem Ziele ihrer Wünsche. Endlich ge¬ 
langten sie aus eine Arthöhe bei Emmaus, von der man die heilige Stadt mit ihren 
ragenden Zinnen und Türmen im Glanze der Abendsonne liegen sah. .In einem 
Augenblicke verbreitete sich durch das ganze Heer der Freudenruf: „Jerusalem' Jeru¬ 
salem!" Alle sielen auf die Kniee und dankten Gott mit Freudenthränen für diese 
Gnade; alle erduldeten Mühsale und Entbehrungen waren vergessen. Doch nun galt 
es, die Stadt zu erobern. 
5« Eroberung von Jerusalem. Jerusalem war eine mit Mauern und 
LÜrmen stark befestigte Stadt, in der eine Besatzung von 40,000 Mann lag, 
während das Heer der Kreuzfahrer nur noch 20,000 Fußgänger unb 1500 Reiter 
Zählte unb gar keine Belagerungswerkzeuge mit sich führte. Um sich diese zu ver¬ 
schaffen, zerstreuten sich die Pilger in der holzarmen Gegend, fanden endlich bei 
Bethlehem ein Gehölz und arbeiteten mit dem größten Eifer an ben Belagernngs- 
werkzeugen^ Endlich nach Verlauf von vier Wochen hatte man ben Bau von zwei 
hölzernen Türmen vollenbet. An jebent Turme befanb sich eine Fallbrücke, welche, 
wenn man sie niederließ, zum Übergang vom Turme auf die Stadtmauer diente. 
Ser 14. Juli 1099 wurde zum Sturme bestimmt. Das Kreuzheer wurde jedoch 
von den Belagerten mutig zurückgeschlagen. Aber schon am folgenden Tage wurde 
der Sturm erneuert. Endlich gelang es dem Herzog Gottfried, einen Belagerungs- 
turiu der Mauer so nahe zu bringen, daß die Fallbrücke desselben auf die Mauer 
niedergelassen werden konnte. Wie ein Sturmwind stürzte sich der Held in die 
Lladt und ihm nach die gesamte tapfere Besatzung feines Turmes. Die Herab¬ 
gestiegenen öffneten sogleich ein Thor, und mit dem Geschrei: „Gott hilft uns! Gvtt
	        
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