Metadata: Vom Westfälischen Frieden bis zum Ausbruch des Weltkrieges (Teil 2)

254 X. Von der Wiederaufrichtung des Deutschen Kaisertums bis zum Weltkriege. 
den Reichstag um sich. Der Eröffnung desselben im Weißen Saale 
des Kgl. Schlosses in Berlin wohnten fast sämtliche deutsche Fürsten 
oder deren Stellvertreter sowie die Bürgermeister der 3 Hansestädte 
uub der Statthalter der Reichslande bei. Sie boten damit in eindrucks- 
voller Weise ber Welt ein Zeugnis von ber Einigkeit unb Ge- 
schlossenheit ber deutschen Nation. In welchem Geiste der 
Kaiser sein verantwortungsvolles Amt übernahm, lassen die Reden 
erkennen, die er bei der Eröffnung des Reichstags und anläßlich der 
Eidesleistung im preußischen Landtag gehalten hat. In ber ersten 
betonte er seine triebensliebe nnb bie^ürsorae für die ar- 
beitenbe Klasse und in der zweiten gelobte er, baß er gleich Fried- 
rich dem Großen ber erste Diener bes Staates sein wolle. 
ÄüSS' 2- Sein nun solgenbes Wirken war Betätigung bieser Grnnbsätze. 
lonferenz im Im Februar 1890 legte ber Kaiser in 2 Erlassen ein Programm sür 
ben Fortgang ber sozialpolitischen Gesetzgebung nieber unb regte zu¬ 
gleich eine internationale Verstänbigung zur Regelung ber Arbeiter¬ 
frage an. Wenige Wochen barauf (März) trat bie Arb eiter schutz - 
konserenz, an welcher alle europäischen Staaten außer Rußland 
unb ben Balkanstaaten beteiligt waren, in Berlin zusammen. Die 
von ihr gefaßten Beschlüsse bezogen sich u. a. auf WesHrünkung ber 
Sonntags- unb Nachtarbeit, auf bie Arbeitszeit, auf brauen- und 
Kinderarbeit. Ihre Durchführung sollte ben einzelnen Staaten über¬ 
lassen bleiben. Im Sinne dieser Beschlüsse kam es in Deutschland 
mg?ieeiei89i6° f$on 1891 zur Annahme eines Arbeiterschutzgesetzes, das die 
Sonntagsarbeit stark einschränkt, Arbeiterinnen und jugendliche Ar- 
better vor Überlastung schützt, die Arbeitgeber anhält, für die Aufrecht- 
erhaltung der guten Sitte durch entsprechende Maßnahmen zu sorgen 
und eine Vermehrung der Fabrikinspektoren zur Beaufsichtigung der 
Durchführung aller dieser Bestimmungen fordert. 
a©Bii?eiLeS 3. Im Hinblick auf die Arbeiterversicherungsgesetze (s. § 152, 12) 
gefe^s ott. 1890. und die Absicht der Reichsregierung zur Fortführung der Sozialreform 
glaubte mau, die Aufhebung des Sozialistengesetzes, dessen 
Dauer am 30. September 1890 ablief, eintreten laflen zu können, zu¬ 
mal es seinen Zweck, die Erstarkung und weitere Ausbreitung der 
Sozialdemokratie zu verhindern, nicht erreicht hatte. Demzufolge wurde 
seine Erneuerung unterlassen. Bald darauf zeigten sich Spuren einer 
inneren Wandlung in der sozialdemokratischen Partei. Es entstand, 
wenn auch heftig bekämpft, der sog. Revisionismus (Hauptvertreter 
Eduard Bernstein), d. i. die Richtung, welche der positiven Mitarbeit 
an der Gesetzgebung nicht grundsätzlich widerstrebt^). 
x) Eine Folge der Aushebung des Sozialistengesetzes war die fortschreitende Durch- 
dringung unseres ganzen Geisteslebens mit sozialen Ideen. Männer der Wissen- 
schast, wie Lujo Brentano, Gustav Schmoller, Adolf Wagner (Katheder-
	        
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