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Friedrich Wilhelm, der große Kurfürst, 1640 — 1688.
An der Spitze stand der berühmte Derfflinger, der aus einem Schueidergeselleu,
welcher nicht einmal das Fährgeld bei Tangermünde bezahlen konnte, ein Feldmar¬
schall wurde. — Im westfälischen Friedensschluß, 1648, erfuhr Brandenburg
eine erhebliche Erweiterung; es erhielt Hinterpommern, Kammin, Halber¬
stadt, Minden und Magdeburg.
3. Seine Sorge um des Landes Wohlfahrt. Unablässig sorgte der
Kurfürst für das Wohl seiner Unterthanen, und das Land erholte sich durch ihn
allmählich wieder von dem dreißigjährigen Kriege. Besonders suchte er den Acker¬
bau zu fördern, indem er den verarmten Landleuten Korn, Ackergeräte und Vieh
übergab. Kein Landmann durfte heiraten, der nicht mindestens sechs Obstbäume
veredelt und sechs junge Eichen angepflanzt hatte. Es entstanden neue Straßen
und Kanäle (der Friedrich-Wilhelmskanal zwischen Spree und Oder) zur Förde¬
rung des Handels, und die ersten Posten wurden eingerichtet. Auch zog der
Kurfürst eiue Menge fleißiger Unterthanen aus Bremen, Holland und der Schweiz
herbei; ja aus Frankreich nahm er 20,000 Reformierte in sein Land auf, die um
ihres Glaubens willen dort vertrieben worden waren. Durch diese Einwanderer
kam großer Segen in das Land. Vor allem aber war sein Bestreben, Einheit und
Zusammenhang in die Verwaltung der verschiedenen Landesteile zu bringen, und
da ihm dies gelang, so wird er vorzugsweise der Gründer des preußischen
Staates genannt.
4* Seine Kriege. Wir müssen seine Sorge für das innere Wohl seines
Landes um so mehr an ihm bewundern, da er noch beständig in mancherlei Krie¬
ge verwickelt war. Zwischen Schweden und Polen entstand ein Krieg, der fünf
Jahre dauerte. Friedrich Wilhelm, dessen Land zwischen den kriegführenden Mächten
lag, schlug sich auf Schwedens Seite, uud nach tapferem Kampfe bei Warschau,
1656, kam Preußen als ein unabhängiges Herzogtum an Brandenburg, indem
der Polenkönig Johann Kasimir im Vertrage zu Wehlau 1657 seiner Ober¬
hoheit über Ostpreußen gänzlich entsagte. Nach endlich geschlossenem Frieden zu
Oliva (1560) wurde er als „unabhängiger Herzog von Preußen" anerkannt. —
Später, als Ludwig XIV., König von Frankreich, ungerechter Weise in die
Niederlande eingefallen war, mußte er gegen diesen einen Feldzug nach dein Rhein
unternehmen. Aus Rache suchte Ludwig es dahin zu bringen, daß die Schweden
das brandenbnrgische Land mit Krieg überzogen; von Pommern und Mecklenburg
aus fielen sie 1674 in die Mark ein. Die schwedischen Soldaten plünderten die
Dörfer, verwüsteten die Saaten, trieben das Vieh weg und erpreßten von den Ein¬
wohnern Geld durch die abscheulichsten Martern. Doch der Kurfürst konnte seinen
treuen Brandenburgern noch keine Hilfe leisten. Da ordneten die Bauern sich
selbst zu Kriegsscharen, bewaffneten sich mit Senfen, Dreschflegeln und Heugabeln
und zogen den Schweden entgegen. Auf ihren Fahnen standen die Worte:
,'Wir find Bauern von geringem Gut
und dienen unserm Kurfürsten mit Leib und Blut."
5. Fehrbellin. Im folgenden Jahre aber kam der Kurfürst plötzlich mit
6000 Reitern, mit Kanonen und Fußvolk vom Rhein her nach Brandenburg, er¬
oberte rasch die Stadt Rathenow und schlug die Schweden vollständig am 18. Juni
1675 bei Fehrbellin. Friedrich Wilhelm war mit den Reitern vorangeeilt; noch
harrte er des Fußvolks. Da kam die Kunde, daß der Landgraf von Homburg
wider den Befehl das Gefecht schon eröffnet habe. Er ließ den Kurfürsten um Hilfe
ersuchen. „Wir müssen ihm sekundieren," rief Derfflinger, „sonst kriegen wir keinen
Mann zurück." Sofort brach die Reiterei auf. Auf einem Hügel, den die Schwe¬
den zu besetzen vergessen hatten, ließ der Kurfürst seine Kanonen auffahren, die
nun Tod und Verderbeu in die Reihen der Feinde schleuderten.. Der Kurfürst
selbst befand sich mitten im Getümmel. Als er einige Schwadronen bemerkte, die
nach dem Verluste ihrer Offiziere ohne Führer wareu, stellte er sich an ihre Spike
uud rief: „Getrost, tapfere Soldaten! Ich, euer Fürst, und nun euer Haupt-
mann, will siegen oder mit euch ritterlich sterben." Mitten im feindlichen Kugel-