§ 30. Wilhelm. 69
Oberleitung gleiche Berechtigung mit Oesterreich und verlangte, daß die der
Bundesbehörde beizugebende Volksvertretung aus direkten Wahlen hervorginge
und nicht, wie Oesterreich wollte, aus Ausschüssen der einzelnen Landes¬
vertretungen gebildet würde. Da diese Vorschläge nicht angenommen wurden,
lehnte König Wilhelm den Besuch des Fürstentages in Frankfurt ab. Ebenso
vereitelte jetzt Oesterreich die von Preußen neuerdings gestellten Reform¬
anträge. Schon wurden die Verhandlungen zwischen den Höfen von Berlin
und Wien in stets schärferer Sprache geführt; schon begann Oesterreich,
nicht nur in Venetien, wo ein Angriff Italiens drohte, sondern auch in
Böhmen Truppen zusammenzuziehen. Die nächste Veranlassung zum Kriege
aber bot der Umstand, daß Oesterreich die Entscheidung der schleswig--hol-
steinischen Frage dem Bunde anheimgab und zugleich in Holstein die Stünde
berief, damit diese ihre Wünsche in Bezug auf die Landesverfassung laut
werden ließen. Dieses bezeichnete Preußen als Bruch des Gasteiner Ver¬
trags, welcher die Entscheidung über die Zukunft der Herzogtümer der
Vereinbarung zwischen den beiden Großmächten vorbehielt. Nunmehr wieder
zurückgehend auf den Wiener Frieden, wonach Preußen auch in Holstein
das Recht der Mitbesetzung hatte, ließ es den Gouverneur von Schleswig,
General von Manteuffel, in Holstein einrücken. Oesterreich zog seine Truppen
zurück und beantragte beim Bunde die Mobilmachung gegen Preußen. Die
Annahme dieses Antrags durch eine geringe Stimmenmehrheit (14. Juni
1866) hatte zur Folge, daß Preußen den Bund für aufgelöst erklärte und
mit dem Entwurf einer neuen Bundesverfassung hervortrat, dessen erste
Bestimmung die Ausschließung Oesterreichs war. Noch suchte Preußen
seine Nachbarstaaten Sachsen, Hannover und Kurhessen, welche in Frankfurt
für die Mobilmachung gestimmt hatten, zu bewegen, gegen Sicherung ihres
ungeschmälerten Länderbesitzes neutral zu bleiben und an der Einrichtung
des neuen Bundes sich zu betheiligen. Auf die Ablehnung dieser Aner¬
bietungen folgte unmittelbar die Besetzung jener Länder und somit der all¬
gemeine Krieg.
__ 3- Der deutsche Krieg 1 866. Während der General Man¬
teuffel Altona besetzte und Stade überrumpelte, rückte Vogel von Fal¬
kenstein von Minden aus nach der Hauptstadt Hannover vor (17. Juni).
Zu gleicher Zeit drang der General Be per von Wetzlar aus in dessen
ein und besetzte schon nach wenigen Tagen (19. Juni) Kassel, da die
hessischen gruppen nach Süden abgezogen waren. Der in seiner Residenz
zurückgebliebene Kurfürst wurde zum Gefangenen gemacht und nach Stettin
geführt. König Georg von Hannover hatte seine Truppen bei Göttingen
versammelt; da ihm aber durch die Einnahme Kassels der Weg nach Süden
zur Vereinigung mit den Baiern und den übrigen Bundestruppen versperrt
war, wandte er sich ostwärts, um über Gotha und Eisenach zu ziehen
Auf diesem Marsche wurde er von Manteuffel und Göben umzingelt,
verwarf jedoch das Anerbieten, gegen Entlassung des foeereS für sich und
feine Offiziere freien Abzug zu erhalten, und suchte Über Langensalza
einen Ruckweg nach Hannover. Dort kam es (27. Juni) zu einem blu-
tigen Gefechte. Obwohl die Hannoveraner siegten, sahen sie sich doch gleich
darauf durch einen neuen und stärkeren Angriff bedroht. Unter diesen