Full text: Charaktere aus der neuen deutschen Geschichte vornehmlich in zeitgenössischer Schilderung

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Wenn ich Ihnen gesagt habe, daß ich immer die Zurückgezogen¬ 
heit und ein ruhiges Leben geliebt habe, brauchen Sie noch nicht zu 
glauben, daß ich ein Ostgote bin. Ich kann mich sehr wohl unter 
Menschen bewegen, und wenn es daraus ankommt, sie unterhalten. Ich 
verstehe zu repräsentieren wie einer. Wenn ich in Berlin bin, gebe ich 
oft großartige Festmahle, und ich gebe sie gut, mein Herr. Ich spreche 
bei solchen Gelegenheiten mit einem jeden, wie es ihm recht ist, und 
mache meine Sache so gut, daß meine Gäste mit mir zufrieden sind. 
Gegenwärtig merke ich, daß ich nach meiner Rückkehr, weuu ich sie über¬ 
haupt erlebe, für jeue große und schöne Welt der Hauptstadt nicht mehr 
geschaffen sein werde. Ich werde mich aus mein schönes Schloß Potse- 
dam, wie der Marquis es ausspricht, verbauueu, und dort werde ich 
mit meinen Freunden im Schoße der Philosophie und Litteratur leben. 
Ich empfinde nur dann Furcht, wenn ich Einkehr bei mir selbst 
halte und sehe, daß ich mich gegen die Gesetze jener ewigen Moral ver¬ 
gangen habe, die wir alle um ihrer selbst willen üben sollen; dann 
fürchte ich mich um der Schande willen, welche den trifft, der die Achtung 
vor sich selbst und vor seinen Mitmenschen aus den Augen setzt, und ich 
befleißige mich, das Unrecht, das ich gethan habe, wieder gut zu machen. 
Hierzu habe ich Ihre religiösen Grundsätze nicht nötig; hätte ich die reli¬ 
giöse Überzeugung, die Sie haben, dann würde ich meiner Krone Valet 
sagen und als Klausner leben: 
Die Götter schuf die Furcht, die Herrscher die Gewalt. 
Davon seien Sie überzeugt. 
IV. 
Hausier, Deutsche Geschichte seit dem Tode Friedrichs des Großen bis zur Be¬ 
gründung des deutschen Bundes. Zweite Auslage. Berlin 1859. Bd. I. 
S. 46 ff. 
Der junge Monarch, der 1740 auf Friedrich Wilhelm I. folgte, 
war durch eine herbe Schule des Lebens hindurchgegangen, ehe er den 
preußischen Thron bestieg. Die despotische Strenge und Einseitigkeit 
des Vaters hatte sich schon in der ersten Erziehung des Prinzen ver¬ 
griffen; sie wußte weder einem so regen Geist die rechte Nahrung zu 
geben, noch das Gemüt des Knaben mit kindlichem Vertrauert zu er¬ 
füllen. Während Friedrich Wilhelm den Sohn vor allem zum spar¬ 
samen Haushalter und zum Soldaten heranziehen wollte, fühlte sich des 
Prinzen feinere Natur von der Monotonie der Paraden und des Exer¬ 
zierens gelangweilt; wo dem Vater die Freuden der Jagd und feines 
Tabakskollegiums genügten, da zog es den Sohn zn höherer Nahrung 
und zu geistigem Umgang, und während Friedrich Wilhelm die alt- 
väterische Schlichtheit und Gläubigkeit hoch hielt, schien sein Sohn zu 
Pracht und Freigebigkeit hinzuneigen oder fühlte sich angezogen von der 
französischen Bildung und Sitte, die der Vater verabscheute. Wie es 
nicht selten im Leben geschieht, verstanden zwei in ihrem Kreise tüch¬ 
tige Naturen einander nicht, sondern gingen, da sie beide zäh und eigen-
	        
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