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Aufruf an die Franzosen hieß es: „Keinen Zoll breit Landes, keinen Stein
unserer Festungen diesen verhaßten Teutschen! Auf. Bürger, zu den
Waffen! Verteidigt euer Vaterland! Eilt zu deu Fahnen, oder schart
euch als „Franktireurs" (Freischärler) zusammen und tötet heimlich, wo
ihr konnt, die verruchten Eindringlinge!"
Einschließung von Paris. König Wilhelm gab im cf) der Schlacht
bei Sedan deu Befehl an die Truppen, nach Paris zu ziehen und die
Stadt einzuschließen. Tie große Ausdehnung der Stadt und der Gürtel
von Befestigungen und Forts, welcher sie umgab, schien eine Belagerung
und Eroberung der Hauptstadt zur Unmöglichkeit zu machen. Toch in
kurzer Zeit gelang es den Deutschen, die Stadt einzuschließen, und der
Kronprinz, wie später auch der König, nahmen ihr Hauptquartier iu
Versailles. — Die Belagerten suchten durch mancherlei Ausfälle und
Angriffe unsere Truppen zu beunruhigen; doch wurden die Franzosen
stets zurückgeschlagen, aber sreilich hatten auch die Teutschen bei solchen
Kümpfen schwere Verluste.
Ter König bei den Verwundeten. Ost besuchte der König
während der Belagerung von Paris die Verwundeten, um sie zu trösten.
Einst durchschritt er die Lazarettsäle zu Versailles und trat an die Lager¬
stätte eines jungen, verwundeten Soldaten, der infolge eines Schlas-
pulvers eingeschlummert war. Aus seinem Bette lag ein Album mit
allerlei Gedichten und Sinnsprüchen der Freundschaft. Leise nahm der
König das Buch und schrieb mit Bleistift hinein: „Mein Sohn, ge¬
denke deines treuen Königs Wilhelm." Sobald der Soldat erwacht
war und die Schriftzüge des Königs las, traten ihm die Thränen in die
Augen. — Nach einigen Tagen kam der König wieder und drückte dem
Kranken die Haud. Doch der Arme war bereits dem Tode nahe und
starrte ins Leere. Als jedoch sein König bei ihm stand, richtete er sich
mit der letzten Kraft noch einmal ans und sprach mit leuchtenden Augen:
„Majestät, ich werde Ihrer ewig gedenken, auch dort oben. Amen!"
Darauf sank er zurück und hatte für immer ausgelitten. Der König
aber drückte ihm sanft die Augen zn, und eine Thräne fiel in feilten
weißen Bart.
Übergabe von Stras;bnrg und Metz. Eine Reihe von französi¬
schen Festungen, welche von den deutschen Truppen belagert wurden, er¬
gaben sich. Auch Straßburg im Elsaß, das seit der Schlacht von Wörth
von badischen und preußischen Truppen bombardiert worden, ergab sich
mit der ganzen Besatzung aus Gnade und Ungnade. Durch französische.
Lift war diese Stadt einst vom deutschen Reiche gerissen worden, und
die Wiedergewinnung derselben galt als ein Zeichen der Wiedergeburt
Deutschlands. Bazaine, welcher seit dem 18. August in Metz einge¬
schlossen war, machte manchen Versuch, den Gürtel, mit welchem ihn das
deutsche Heer umspannt hatte, zu durchbrechen, mußte sich aber auch end¬
lich ergeben und wurde mit seiner ganzen Armee von 175000 Mann
kriegsgefangen nach Deutschland abgeführt. Nach diesen großen Er¬
folgen ernannte König Wilhelm seinen Sohn, den Kronprinzen, sowie
den Prinzen Friedrich Karl zu Feldmarschällen und erhob den General
Moltke in den Grafenstand.
Untergang der republikanischen Heere. Trotzdem man in Frank¬
reich die ganze wehrfähige Mannschaft zu den Waffen rief und auf biefc
Weife zahlreiche Heere bildete, sonnten biese Scharen den deutschen Heeren
doch nicht ans die Dauer stand halten. Mantenffel besiegte die Franzosen
bei Amiens; Prinz Friedrich Karl siegte bei Orleans und Le Maus;