Full text: Geschichte Deutschlands von der älteren Zeit bis zur Gegenwart

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die Hausmeierwürde von Neustrien in Besitz. Auf diese Weise gelangte 
er zur Herrschaft in beiden Reichen der Franken. 
Karl Martell, der Sohn Pippins, übernahm einige Jahre nach 
seines Vaters Tode ebenfalls das Amt des Hausmeiers. Er hatte 
mancherlei Gegner, behauptete aber seine Herrschaft. — Zn Karls Zeit 
bedrohten die mnhammedanischen Araber, welche fast ganz Spanien er¬ 
obert hatten, auch das Frankenreich. K^arl zog wider diese Feinde und 
besiegte sie (732) in der achttägigen Schlacht zwischen Tours und 
Poitiers/'') die an Furchtbarkeit und Bedeutung kaum der.einstigen 
großen Hunnenschlacht nachstand. Dieser Sieg befreite die abendländische 
Christenheit von der Gefahr, durch die Muhammedaner überwunden zn 
werden. Karl erhielt seitdem den Beinamen Martell, b. i. der Hammer, 
weil er wie mit betn Hammer Gottes auf bie Feiube losgeschlageu hatte. 
Pippin der Kleine (750) folgte als Hausmeier seinem Vater Karl 
Martell. Durch Gerechtigkeit, Klugheit unb Tapferkeit erwarb er sich bie 
Liebe bes ganzen Frankenvolkes unb beabsichtigte baraus, beu blöbsinnigen 
König GH Übe i*ich beiseite zu schieben unb sich selbst bie Krone aufzu¬ 
setzen. Er ließ baher beim Papste Zacharias in Rom anfragen, wer 
bes königlichen Namens unb Thrones würbiger sei, ber, welcher sorglos 
daheim sitze, oder der, welcher die ganze Sorge und Last bes Reiches aus 
sich habe. Zacharias erwiderte, es sei besser, beiß derjenige König heiße, 
welcher bie Sorgen unb Lasten ber Regierung trage. Durch biesen Aus¬ 
spruch würben auch bie fränkischen Geistlichen unb weltlichen Großen für 
Pippin günstig gestimmt, und Chilberich III., ber letzte Schattenkönig 
aus bem Geschlecht ber Merowinger, warb abgesetzt unb als Mönch in 
ein Kloster geschickt, wo er nach wenigen Jahren starb. Pippin aber 
würbe zum König erhoben. 
Die Kraft Pippins. Da Pippin nur klein von Person war, so 
mußte er einst erfahren, baß man ihn seiner kleinen Gestalt wegen ver¬ 
höhnte. Als nun bei einer Gelegenheit alle Großen bes Reiches ver¬ 
sammelt waren, befahl Pippin, baß man einen wilden, ungezühmten 
Stier herbeibringen und einen starken Löwen auf biefes Tier loslassen 
solle. Der Löwe stürzte sich mit eiuem heftigen Sprunge auf ben Stier, 
faßte ihn beim Nacken und warf ihn zn Boden. Als die Tiere über ein¬ 
ander lagen, wandte sich der König zu deu umstehenden Höflingen und 
fprach: „Reißt jetzt den Löwen hinweg von dem Stiere, oder tötet ihn 
auf demselben! Wer wagt es von euch?" e>ie sahen eittaitber stumm 
unb betroffen an unb waren erstarrt vor Schrecken über eine solche Zu¬ 
mutung, bis zuletzt einzelne von ihnen zn murmeln wagten: „Herr, es 
ist kein Mensch auf ber Erbe, ber solches zu versuchen sich getraute." 
Pippin erwiberte nichts, fonbern stieg schweigenb von seinem Thronsessel 
unb trat in bie Schranken. Er zog sein Schwert aus ber Scheibe unb 
trennte mit einem Streiche den Nacken des Löwen von den Schaltern, 
und wiederum mit einem Streiche hieb er den Kopf des Stieres ab. 
Alsdann steckte er sein Schwert in bie Scheibe, schritt ruhig wieder zu 
seinen Höflingen mit den Worten: „Scheint es euch nun, baß ich boch 
wohl euer Herr seilt kann?" Diese aber sielen, wie vom Blitze ge¬ 
troffen, zur Erbe nieber ititb sprachen: „Nur ein Unsinniger würbe es 
wagen, beute Herrschaft über bie Menschen anzutasten." — Hinfort wagte 
es keiner mehr, über bie Gestalt bes Frankenkönigs zu sprechen ober gar zu 
spotten. — Nach Pippiu kam besseu Sohu Karl ber Große auf ben Thron.
	        
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