69. Eine Uitterburg und ihre Bewohner.
Lage. In beit unsichern Zeiten bes Mittelalters bauten bie reichen
Adeligen ihre Wohnungen entweber auf Inseln, an Flüssen, in schwer zu¬
gänglichen Sümpfen ober auf steilen Bergeshöhen. Diese Wohnungen, welche
man befestigte, würben Burgen genannt. Schon ber Weg zur Burg (bie Burg¬
straße) würbe so schmal angelegt, baß er nur für einen bis zwei Reiter Raum bot
unb von dem Burgwächter leicht beobachtet werben konnte. Viele Bnrgen
würben mit Mauern unb Gräben umgeben, imb vor ber Burg lag eine Fall¬
brücke, bie beim Kommen unb Gehen herabzulassen unb aufzuziehen war.
Teile der Burg. Der Hanptbestanbteil einer Ritterburg war ber
Bergf rieb, ein starker Turm, ber keiner größeren Burg fehlte unb meistens
ganz frei (ohne Verbinbuug mit anbern Gebänben) bastanb. Hier drängte
sich in kleineren Burgen alles zusammen: Wohnung, Speicher, Gesängnis
it. s. w. Im obersten Stockwerk des Turmes weilte beständig ber Turm¬
wart, um bei Tag unb Nacht auszuschauen, ob sich etwa ein Feinb nahe.
Drohte Gefahr, so stieß er in bas gellenbe Horn, um bie Insassen ber
Burg aufmerksam zu machen. Wenn es Raum und Mittel zuließen, so
baute man neben dem Bergfried ein besonderes Wohnhaus, bett Palas
bes Ritters, ber oft recht stattlich tiitb geräumig war. Vermehrte sich bie
Familie burch Kinder ober Zuzug von Verwanbten, ober war ber Burg¬
herr ein Graf ober Fürst, so entstauben An- unb Neubauten, bie freilich
des knappen Raumes wegen oft sehr hoch aufgeführt werden mußten. Auf
einer ansehnlichen Burg fattd matt auch ein besonderes Fraueugentach, ge¬
nannt die Kemnate. Größere Burgen hatten auch Fremdenzimmer und
eine Badestttbe. Außerdem gab es eine Burgkapelle, bereit „Burg-
kaplatt" zugleich Schreiber unb Hauslehrer ber Familie sein mußte. Im
Schnitzhause fertigte man Lanzen, Schilde, Waffen und auch wohl Ge¬
räte für den häuslichen Bedarf an. In der Rüstkammer befanden sich
die Waffen und Waffenanzüge. Schauerlich sah es im Burgverlies
aus, wo mau die Gefangenen unterbrachte. Außerhalb der eigentlichen
Burg lag ein freier Raunt, welcher Vorhof oder Zwinger hieß. Hier
standen die Wirtschaftsgebäude, wo Knechte und Dienftleute untergebracht
waren; auch fand matt hier die Scheunen, außerdem die Stallungen für
Pferde, Rinder, Schweine, Hunde, Hühner, Jagdfalken u. f. tu. Aus einem
Ziehbrunnen, der sich auf dem Hofe oder im Bergfried befand, mußte
man das Wasser für den Bedarf emporwinden.
Häusliche Einrichtungen. Sehr behaglich war das Leben auf
einer Burg nicht. Im Winter faß man, in Pelze gehüllt, fröstelnd am
schlecht heizenden Kamine. Da die kleinen trüben Horn- und Pergament-
fensterfcheibeit nicht genügend Sicht hindurchließen, auch die Fensterläden
bei Unwetter geschlossen wurden, so mußte man oft auch am Tage den
Kienspau oder ein Wachslicht anzünden. Wie eng wohnte überhaupt alles
zusammen, wenn z. B. auf kleinen Burgen Schlaf-, Wohn- und Gastzimmer
nur einen Raum bildeten! Im Sommer zeigte sich das Hauswesen in
einer freundlicheren Gestalt. Dann war es angenehm, vom hohen Erker
über die Wipfel der Bäume ins Thal zu schauen oder int Gärtchen an der
Burgmauer zu sitzen, wo Lilien uud Rosen blühten und die Vögel sangen.
Auch im Saal, dem Hauptraum des Palas, war es dann luftig und hell,
und man sah, wie hier schöne Teppiche die Wände und den Fußboden
zierten, und bunt bemalte Möbel dastanden. Die Kemnate war mit Hand¬
arbeiten der Frauen geschmückt; denn in jener Zeit webten, nähten und
stickten die Edelfrauen sehr kunstvoll und steißig.
Carl A. Krüger, Gesch. Deutschlands. 6