Heinrichs Streit mit Papst Gregor VII. 69
alten römischen Kaiser angesehen wurden, so war die Stadt Rom und auch ihr
Bischof, obwohl er in geistlicher Hinsicht als der erste Bischof in der Christenheit
galt, ihnen im Weltlichen untergeben und es war deshalb, wie wir wissen, zwi¬
schen mehreren Kaisem und den Römern ausdrücklich ausgemacht worden, daß
kein Papst ohne kaiserliche Bestätigung gewählt werden dürfe. Das wollte nun
Gregor gänzlich ändern; der Papst sollte einzig und allein von den Kardinälen,
nämlich ben Hauptgeistlicheu in Rom, gewählt werden und völlig unabhängig
vom Kaiser sein; ja dieser sollte im Gegentheil nun vom Papste eingesetzt wer¬
den, ohne dessen Bestätigung nichts gelten und auch' von ihm wieder abgesetzt
werden können, wenn er sich seines Amtes unwürdig machte. „Alle weltliche
Macht", sagte Gregor, muß der geistlichen unterworfen sein. Die Welt wird
durch zwei Lichter regiert, die Sonne, das größere, und den Mond, das kleinere.
So ist nun die päpstliche Gewalt wie die Sonne, die königliche Macht wie der
Mond; denn wie dieser sein Licht von jener hat, so sinb Kaiser und Könige
unb Fürsten nur burch den Papst, weil dieser durch Gott ist; sie sind ihm Un¬
terthan und ihm Gehorsam schuldig."
Auch die übrigen Geistlichen sollten nach Gregors Absicht von der weltlichen
Macht ganz unabhängig sein; und zwar nicht nur in geistlichen Dingen, wie es
natürlich war, sondern selbst in ihrem weltlichen Besitze. In Deutschland waren
die höh ent Geistlichen alle zugleich Herrscher über Land und Leute und trugen
ihr Bisthum oder ihre Abtei vom Kaiser oder einem andern Fürsten zu Lehen.
Nach dem alten Reichsgesetze mußten sie sich deshalb von ihrem Lehnsherrn mit
ihren Gütern belehnen lassen, und das geschah durch feierliche Ueberreichuug eines
Ringes und eines Hirtenstabes, als Zeichen der ihnen übertragenen Gewalt, so
wie die weltlichen Fürsten bei der Belehnung eine Lanze und eine Fahne em¬
pfingen. Man nannte dieses bei den Geistlichen die Investitur. Jetzt verbot
nun Gregor, bei der Strafe des Bannes, allen Geistlichen, von irgend einem
weltlichen Fürsten die Investitur anzunehmen, und den Fürsten, sie zu ertheilen.
Allerdings war bei der Einsetzung von Bischöfen durch die Kaiser vielfach nicht
im wahren Interesse der Kirche verfahren worden; sie hatten die Stellen nicht
bloß ttacö rein politischen und persönlichen Rücksichten besetzt, sondern auch Ge¬
schenke und ansehnliche Geldsummen dafür genommen; letzteres, das Kaufen und
Verkaufen geistlicher Stellen, nannte man mit Beziehung auf Apostelgeschichte 8,
18 Simonie. Und um die Geistlichen im allgemeinen noch fester an die Kirche
zu binden, so daß sie gar nicht durch weltliche Sorgen für Frau und Kinder
in ihrer Anhänglichkeit an dieselbe gestört würden, erneuerte er ein früher schon auf¬
gestelltes aber nicht durchgeführtes Gebot, daß sich die Priester aller ehelichen
Verbindung enthalten sollen. Mit bieser Einführung bes Cölibats (so heißt
die Ehelosigkeit der Geistlichen) fand er zwar anfänglich den heftigsten Widerstand
bei den verheiratheten Priestern, die ihre Fraueu nicht verstoßen wollten; aber
mit seiner Entschlossenheit und Standhaftigkeit setzte er seinen Willen doch durch.
Die Ehelosigkeit der Geistlichen wurde von der Zeit an immer mehr allgemeines
Gesetz der Kirche. Mit seinen Unternehmungen gegen die Investitur durch die
weltlichen Fürsten ging es aber nicht so rasch, dieses Recht wollten sich dieselben
nicht nehmen lassen, nnb es ist noch lange Zeit nach ihm darüber gestritten wor¬
den; ja, der ganze Streit zwischen der geistlichen und weltlichen Macht hat un¬
beschreiblich viel Unheil gestiftet, wie die fernere Geschichte lehren wird.
An Heinrich wollte Gregor zuerst seinen Grundsatz wahr machen, daß alle