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wohnte vor Euerm Vater da?“ — „Mein Großvater,“ antwortete der
Rittler. „Wer wird wohl nach Euch da wohnen?“ fragte der Pilger
weiter. Der Ritter sagte: „So Gott will, mein Sohn.“ — „Nun,“
sprach der Pilger, „wenn jeder nur eine Zeit in diesem Schlosse
wohnt und immer einer dem andern Platz macht, was seid ihr denn
anders hier als Gäste? Dieses Schloß ist also wirklich ein Gasthaus.
Verwendet daher nicht so viel, dieses Haus so prächtig auszuschmücken,
das Euch nur kurze Zeit beherbergt; tut lieber den Armen Gutes,
so baut Ihr Euch eine bleibende Wohnung im Himmel!“ Der Rilter
nahm sich diese Worte zu Herzen, behielt den Pilger über Nacht und
wurde von dieser Zeit an wohltätiger gegen die Armen.
Chr. v. Schmid.
70. Die Sonne und der Wind.
Einst stritten sich die Sonne und der Wind, wer von ihnen
am stärksten sei. Sie wurden einig, derjenige solle dafür gelten, der
einen Wanderer, den sie eben vor sich sahen, am ersten nötigen würde,
den Mantel abzulegen.
Sogleich begann der Wind zu stürmen; Regen und Hagel—
schauer unterstützten ihn. Der arme Wanderer jammerte und zagte;
aber immer fester wickelte er sich in seinen Mantel ein und setzte
seinen Weg fort, so gut er konnte.
Jetzt kam die Reihe an die Sonne. Mit milder und sanfter
Glut ließ sie ihre Strahlen herabfallen. Himmel und Erde wurden
heiter, die Lüfte erwärmten sich; der Wanderer vermochte den Mantel
nicht länger auf seinen Schultern zu dulden. Er warf ihn ab und
erquickte sich im Schatten eines Baumes, indessen die Sonne sich ihres
Sieges erfreute.
Meißner.
71. Sprichwörter.
1. Einigkeit, ein festes Band, hält zusammen Leut' und Land.
2. Verzeihen ist die beste Rache. 3. Vergeben, vergessen. 4. Jedem
das Seine. 5. Das Haus, drin Zwietracht ist, zerfällt; nur Einigkeit
erhält die Welt. 6. Eines Freund, keines Feind. 5. Eintracht gibt
Macht. 8. Zufriedenheit ist der größte Reichtum. 9. Eine Liebe ist
der andern wert. 10. Der Freunde Fehler mag man kennen, aber
nicht nennen. 11. Der meint es mit dem Freund nicht gut, der
alles gut heißt, was er tut. 12. Verzeih dir nichts und andern viel.
13. Vergleichen und Vertragen ist besser als Zanken und Schlagen.
14. Zanken zwei, so haben beide unrecht. 15. Friede ernährt, Unfriede