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eine regelmäßige Rente zu beziehen; ohne weiteres wird diese Wohl¬
that jedem zuteil, der über 70 Jahre alt ist.
Tüchtige Staatsmänner stehen dem Kaiser bei der Leitung der
Regierungsgeschäfte zur Seite. Während der ersten Jahre seiner Re¬
gierung war sein erster Ratgeber der Reichskanzler Fürst Bis¬
marck, der größte Staatsmann unserer Zeit, der schon seinem Pater
und Großvater ungefähr 30 Jahre lang mit unerschütterlicher That¬
kraft und Treue gedient hatte. Als er im Jahre 1890 aus dem
Amte schied, belohnte ihn der Kaiser für seine großen Verdienste um
Preußen und Deutschland dadurch, daß er ihm die Würde eines Herzogs
von Lauenburg verlieh. Seine Stelle übernahm der General von
Caprivi, dem schon nach zweijähriger Amtsführung zum Danke
für seine rastlose Thätigkeit und seine Erfolge der Grafentitel ver¬
liehen wurde.
2. finiscv Friedrich III.
In der langen Reihe der hohenzollerischen Herrscher giebt es
wohl keinen, der sich so gut für seinen Herrscherberuf vorbereitet hatte,
der schon vor seiner Regierungszeit sich so viele Verdienste um das
Land erworben hatte, als Kaiser Friedrich III.; sicherlich aber
ist keiner zu nennen, der nur so kurze Zeit und unter so traurigen
Umständen seines Amtes gewaltet hat. Nur 99 Tage war es ihm
vergönnt, die Würde eines deutschen Kaisers und Königs von Preußen
zu bekleiden, und doch wird sein Andenken fiir alle Zeiten unver¬
geßlich fein.
Geboren wurde der Prinz Friedrich Wilhelm, wie er bis
zu seiner Thronbesteigung hieß, am 18. Oktober 1831 im Neuen
Palais in Potsdam. Sein Vater, der damalige Prinz Wilhelm von
Preußen, der spätere Kaiser Wilhelm 1., und seine Mutter, die Prin¬
zessin Augiista von Sachsen-Weimar, ließen sich die Erziehung ihres
einzigen Sohnes sehr angelegen sein. Die körperliche und geistige
Ausbildung gingen Hand in Hand; vorzügliche Lehrer unterrichteten
ihn, und besonders ausgewählte Unteroffiziere und Offiziere bildeten
ihn im Exerzieren und Turnen aus. Daneben erlernte er noch nach
einem alten Herkommen im preußischen Königshause das Tischlerhaud-
werk und beschäftigte sich auch vorübergehend mit der Buchbinderei.
Ferienreisen durch die schönsten Gegenden Deutschlands boten ihm die
nötige Erholung von seinen vielseitigen Beschäftigungen.