478 Bilder aus Amerika.
trinken zu können ohne vorherige Zubereitung. Lange Zeit hatten wir
unser Wasser aus den schönen, frischen Lachen der Eisberge und
Schollen geholt; nun mußten wir die Blöcke in steinharten, glasartigen
Stücken herausmeißeln und in blechernen Gefäßen zerschmelzen, um so
unser täglich Getränk zu erlangen. Das war im Wellington-Kanal.
Allmählich ward der Eisbrei, durch welchen wir hindurchfuhren,
zu Eisstücken und Schneeballen. Wir saßen fest wie im Leim Aber
noch am 11. September fand ich am Gestade von Barlows Einfahrt
ein blühendes Fünffingerkraut. Doch alles, was feucht und naß waͤr,
fiel nunmehr als etwas Merkwürdiges auf, als etwas, das verdiente,
angestaunt zu werden. Die Verdecke wurden trocken und da, wo die
Füße hinzutreten pflegten, mit traubenförmigen Klumpen von schmutzigem
Eis besetzt. An der Takelage sammelte sich Reif, und wir lernten sehr
vorsichtig mit aufgeschlossenem Tauwerk und Eisen umgehen. Am 4.
Oktober war bereits die mittlere Temperatur unter Null. (09 Fahren—
heit gleich 1425 Grad Réaumur.)
Die kleine Lücke, die uns zum gewöhnlichen Eingang diente, war
so ganz und gar zu einer Masse von Eiszapfen geworden, daß wir zu
unserem Winterthor unsere Zuflucht nehmen mußten. Sowie die Thür
aufging, flog ein Strom rauchähnlichen Dunstes heraus; jedes Ofen—
rohr entsendete Wolken von purpurrotem Dampfe, und der Hauch eines
Menschen brachte auf das Auge eine solche Wirkung hervor, wie das
Abschießen eines Pistols.
Alle unsere Eßsachen wurden lächerlich fest, jede in ihrer Art,
und es bedurfte keiner geringen Erfahrung, um mit den Eigentümlich—
keiten ihrer neuen Beschaffenheit vertraut zu werden. So wurden ge—
trocknete Apfel zu einer festen breccienartigen ?) Masse von zusammen—
gebackenen eckigen Stücken, ein Konglomerat von Chalcedonscheiben.
Ebenso getrocknete Pfirsiche. Diese vom Faß los zu machen oder das
Faß von ihnen, war ein Ding der Unmöglichkeit. Nach vielen Ver—
suchen fanden wir, daß die kürzeste und beste Art die sei, das Faß
samt den darin enthaltenen Pfirsichen mit einer schweren Art zu zer—
hauen, die Stücke dann in die Kajüte zu nehmen und dort aufzutauen.
Sauerkraut glich dem Glimmer oder vielmehr Talkschiefer. Ein Brech—
eisen mit scharfer Schneide löste die Blättchen nur unvollkommen los,
und doch war es das beste Werkzeug, das man zum Zerstücken an—
wenden konnte.
Zucker stellte sich als eine gar drollige Masse dar. Recipe
quantum satis (Nimm so viel als nötig) Korkschnitzel und vermische sie
mit qu. s. flüssiger Guttapercha oder Kautschuk und lasse das Ganze
hart werden: dies extemporierte Rezept dürfte den braunen Zucker
unserer Winterkreuzfahrt geben. Man mußte ihn mit der Säge von
seiner Einpackung lösen und zerstücken. Butter und Speck, die sich
weniger veränderten, verlangten bloß einen schweren, kalten Meißel.
*) Brecceie heißt eine Gebirgsart, in der ungleichförmige Brocken und Gerölle
mit sandsteinartigem Grundteig zusammengebacken sind.