58
auf dem Markte zu Neapel widerrechtlich enthauptet (1268*). Den
herzlosen Bedrücker aber verjagten nach nicht ganz zwei Jahrzehnten
die Sizilianer in blutigem Aufstande.
2. Aas Zwischenreich. (1254—1273.) Während „der kaiser¬
losen, der schrecklichen Zeit" herrschten im Reiche die trostlosesten
Zustände. Die Wahlfürsten scheuten sich selbst nicht, die deutsche
Krone für Geld an Fremde auszubieten. Die wehrlosen Bewohner
des Reiches waren ganz der Raublust des Adels anheimgegeben: die
Faust, d. i. die Gewalt, schuf das Recht. Der Gottesfriede, nach
welchem vom Donnerstag bis Sonntag die Waffen ruhen sollten,
wurde nicht mehr gehalten. Friedensstätten, an denen der Besiegte
Schutz sand (Kirche, Friedhof), gab es nicht mehr. Unzählige
Fehden vernichteten den Wohlstand des Landes.
In dieser Zeit der Ohnmacht des Königtums (Zeit des Faust¬
rechts) erhob sich segensreich die Macht der Städte. Durch Bündnisse
schützten sie das Recht, den Handel und den Frieden des Landes
gegen die Übergriffe des Adels. Auch der Handel und das Hand¬
werk waren bewehrt. Es herrschte ein allgemeinerKriegsstand. Zwischen
Fürsten und Städten, Adel und Bürgertum, Ritter und Kaufmann
bestanden während des ganzen Mittelalters Fehden. Fluß- und
Landstraßen waren mit steten Gefahren erfüllt. — Die Rechts¬
verhältnisse suchten die Femgerichte zu bessern.
3. Kokonisalionsöestreöungen. 1. Die Gabe der Deutschen, ver¬
ödete Landstriche zu kolonisieren, hat sich überall und jederzeit be¬
währt, niemals aber glänzender, als bei der Besiedelung des Ostens.
Deutsche Bildung und Gesittung verbreiteten sich zunächst durch
Albrecht den Bären über Brandenburg. Gleichzeitig mit Albrecht
aus dem Hause Askanien hatte Heinrich der Löwe deutsche und
christliche Bildung über die Elbe, und zwar nach Norden, getragen,
indem er seine Herrschaft über die slavischen Volksstämme in
Pommern und Mecklenburg ausdehnte. Durch Herbeiziehung fremder
Kolonisten, durch Hebung des Handels uud Gewerbfleißes, durch
Anlegung von Städten und Bistümern stieg sein Land in der kurzen
Zeit bis zu seinem Sturze zu hoher Blüte.
.2. Durch die Kolonisationsbestrebungen des 13. uud 14. Jahr¬
hunderts wurden neue große Landstriche für die deutsche Kultur ge¬
wonnen; sie tragen aber einen anderen Charakter als die früheren.
Allen Eroberungen vom 10. bis 12. Jahrhundert, so verschieden auch
*) Gedicht: „Barbarossas erstes Erwachen" von Freiligrath.