Full text: Deutsche und brandenburgisch-preussische Geschichte vom Ausgang des Mittelalters bis zur Gegenwart (2)

III. Der dreißigjährige Krieg 1618—48. 
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und den Besitzstand der geistlichen Stifter sollte der 1. Januar 1624 iß 
maßgebend (Normaljahr) sein. 
Änderungen der Reichsversassung: Den einzelnen Reichs¬ 
ständen wurde die volle Landeshoheit (Souveränität) zugesichert. Sie 
konnten Bündnisse auch mit dem Auslande schließen, nur sollten sich 
diese nicht gegen Kaiser und Reich richten. Der Kaiser durste nur mit 
Zustimmung der Reichsstände (Kurfürsten, Fürsten und sreien Städte) 
über Krieg und Frieden für das Reich Beschlüsse fassen und konnte ohne 
sie keine wichtigen Regierungshandlungen im Reiche vornehmen, auch 
keine Reichssteuern ausschreiben. Damit war der Reichsverband so 
gut wie ausgelöst. Seit 1663 blieb der Reichstag beständig in Regens¬ 
burg beisammen, die Fürsten aber erschienen dabei nicht mehr persön¬ 
lich, sondern ließen sich durch Gesandte vertreten. 
6. Tie Wirkungen des dreißigjährigen Krieges. 
1. Die wirtschaftlichen Zustände. Große Gebiete Deutsch¬ 
lands waren durch den Krieg in eine Wüste verwandelt; hin und wieder 
hausten Wölse und andere reißende Tiere in einer Wildnis, wo früher 
blühende Dörfer und Städte frohen Menschen reichliches Auskommen 
gewährt hatten. Über die Hälfte der Bevölkerung war dahin; in 
manchen Gegenden war die Einwohnerschaft auf den zehnten, ja sogar 
zwanzigsten Teil vom Hundert herabgesunken. Was das Schwert der 
Feinde nicht gewürgt hatte, war ber Hungersnot und pestartigen Seuchen 
erlegen. Der Hanbel war gelähmt; Falschmünzer („Kipper unb Wipper") 
trieben ihr Unwesen. Als bas Lanb sich enblich erholte, war ber Ab¬ 
satz ber Erzeugnisse erschwert, benn bie Münbnngen ber Ströme unb 
ber auswärtige Handel waren in ben Hänben bes Auslanbes, während 
England und die Niederlande durch Gründung einer großen See- und 
Kolonialmacht zu hoher Blute gelangten. 
2. Die religiösen Zustände. Die in dem schrecklichen Kriege 
aufgewachsene Bevölkerung war verroht; das Christentum war meist 
ein toter Buchstabe geworden, ja an seine Stelle wüster Aberglaube 
getreten. Der Glaube an Gott war vielfach geschwunden: Hexen 
sollten alles Unglück verursacht haben. Auf ber Folter erpreßte man 
Gestünbnisse und übergab bann „ben Bunbesgenossen bes Satans" 
bem Scheiterhaufen. So würben in ber Grafschaft Glatz in einem 
Jahrzehnt tansenb Hexen verbrannt. — Das strengkatholische Öster¬ 
reich schloß sich immer mehr von bem vorwiegenb evangelischen Norb- 
beutschlanb ab. 
3. Das Nationalgefühl war aufs tiefste herabgesunken; man 
glaubte lange, baß bie Deutschen unfähig wären, ein festes Staats- 
wefen zu gründen. Dabei gefiel man sich in ber Nachäffung von aus- 
läubischen, zumal französischen Sitten unb Moben. Gepuberte Haare 
unb Perücken, sowie geschmacklose Trachten würben in ben höheren 
Kreisen allgemein. Unsere Muttersprache überlub sich zu gleicher Zeit
	        
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