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der Nächste zur Regierung und erhielt deshalb den Titel „Prinz von
Preußen". Auf dem Schlosse Babelsberg, das er sich an dem
waldigen Ufer der Havel unweit Potsdam errichten ließ, verlebte er
damals eine stille, glückliche Zeit.
Als in dem stürmischen Jahre 1848 in Preußen Unruhen aus¬
brachen, verließ er das Land und hielt sich vorübergehend auf eng¬
lischem Boden auf.
Nach seiner Rückkehr dämpfte er in einem sechswöchigen Feld¬
zuge einen gefährlichen Volksaufstand in Baden und lebte dann
mehrere Jahre am schönen Rhein in C o b l e n z , wo seine Gemahlin
auch später gern Hof hielt und die vielbewunderten „Rheinanlagen"
schuf. Mit großer Teilnahme verfolgte Prinz Wilhelm auch von hier
aus die Geschicke des preußischen und deutschen Vaterlandes, und das
Volk lernte den ernsten, tüchtigen Königssohn schätzen und lieben.
4. Die ersten Königsjahre. Im Jahre 1861 bestieg Wilhelm I.
den preußischen Thron. Er zählte damals schon fast 64 Jahre, hatte
also ein Alter, in dem die meisten Menschen bereits nach Ruhe ver¬
langen. Aber daran dachte der König gar nicht. Mutig setzte er sich
in der alten preußischen Krönungsstadt Königsberg die Krone
aufs Haupt, und wohl niemand ahnte, daß er noch große und herrliche
Taten vollbringen würde.
Ein Ziel hatte König Wilhelm von Anfang an fest im Auge; er
wollte Preußen die Rolle verschaffen, die ihm nach feiner natürlichen
Bedeutung zukam, nämlich die leitende Stelle in Deutschland. Diese
hatte damals aber das mächtige Österreich inne. Um seinen
Anspruch durchzusetzen, mußte der König sich auf ein starkes Heer
stützen können. „Preußens Heer", sagte er, „muß mächtig und
angesehen sein, um, wenn es gilt, ein schwerwiegendes Gewicht in
die Wagschale legen zu können." Bereits hatte er mit scharfem Blicke
den richtigen Mann herausgefunden, der an die Spitze des Heeres
gehörte. Das war der General M o l t k e , der wenig sprach, aber
viel dachte und bald ein gewaltiges Feldherrentalent vor aller Welt
offenbarte. Zur äußeren Verwaltung der Armee im Frieden berief
der König bald darauf den General R o o n. Der sollte als Kriegs¬
minister für Kasernen und Zeughäuser, für Waffen, Bekleidung und
Verpflegung der Truppen sorgen und tat es musterhaft. Der dritte
und bedeutendste unter den Ratgebern des Königs wurde der Minister
und spätere Kanzler Bismarck, der als Staatslenker Gewaltiges
geleistet hat.
Mit Hilfe dieser drei ausgezeichneten Männer hat' König
Wilhelm I. Preußens Macht gestärkt uud bann die Einheit
Deutschlands siegreich begründet. Drei wichtige Kriege be¬
zeichnen diesen Weg.