Full text: Vom Zeitalter der abendländischen Kirchentrennung bis zur französischen Staatsumwälzung (H. 3)

I. Das Zeitalter der Reformation und der 
Gegenreformation. 
1. Die Kirchentrennung. 
Veranlassung. Zu Anfang des 16. Jahrhunderts saß auf dem päpst¬ 
lichen Stuhle Leo X. Er entstammte der kunstliebenden Familie der 
Medici, die im Freistaat Florenz die Staatsverwaltung leitete. Sein 
Vorgänger hatte den Bau ein er neuen Peterskirche im großartigsten Ma߬ 
stabe unternommen; die Vollendung fiel ihm zu. Die Kassen waren er¬ 
schöpft; deshalb wandte er sich an die Gläubigen. Der Riesenbau sollte 
ein Bau der ganzen Christenheit werden, alle Völker und alle Stünde 
sollten dazu beitragen. Äußerlich sollte er ein Meisterwerk des neuen 
Baustils der Renaissance werden und wie die Bauwerke des griechischen 
Altertums durch vornehme Einfachheit wirken. (Bild 15.) Geldsamm- 
lnngen durch Zeitungen zu betreiben oder Lotterien zu veranstalten, wie 
es heute beim Bau großer Dome wohl geschieht, kannte man damals 
nicht. Leo griff zu dem in jenen Zeiten üblichen Mittel, zn einem all¬ 
gemeinen Ablaß, zu dessen Gewinnung würdiger Empfang der Sakra¬ 
mente der Buße und des Altars sowie ein Almosen zur Vollendung ver 
Peterskirche in Rom erforderlich war. 
Mißbrauch. Besondere Prediger reisten durch die Länder, um den 
Ablaß zu verkünden und die Almosen in Empfang zu nehmen. Ihnen 
war vor allem aufgetragen, ein ehrbares Leben zu führen. Wirtshäuser 
zu meiden und keine unnützen Ausgaben zu machen. Gleichwohl erregte 
das Auftreten mancher Prediger großes Ärgernis. Viele sahen mehr aufs 
Geld als auf die Erfüllung der vorgeschriebenen Bnßübuugen. 
Martin Luther. Gegen diesen Mißbrauch der Anpreisung des Ab¬ 
lasses wandte sich Martin Luther, Mönch des Augustinerordens und 
Professor der Theologie an der Universität Wittenberg. Am 31. Ok¬ 
tober 1517 schlug er an die Tür der Schloßkirche zu Wittenberg 95 Lehr¬ 
sätze an, die über den Mißbrauch des Ablasses, über den Ablaß selbst 
und über die Verdienstlichkeit der guten Werke handelten. Das Anschlagen 
von Lehrsätzen über strittige Punkte war in jener Zeit an den Universi¬ 
täten üblich. Dadurch wurden die Gegner dieser Lehrsätze zur öffentlichen 
wissenschaftlichen Auseinandersetzung aufgefordert. 
Tetzel gegen Luther. Der Dominikaner Tetzel, der der Hauptver¬ 
kündiger des Ablasses im nördlichen Deutschland war, schlug gegen Luther 
106 Gegeulehrsätze an der Universität zu Frankfurt a. d. O. an. Darin
	        
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