Full text: Bilder aus der Sage und Geschichte Roms (2)

16 — 
vollsten Waffen, den köstlichsten Schmuck herbei unb versenkte bies alles, aber 
der Abgrund wollte sich nicht schließen. Da sprengte der junge Ritter Cnrtins 
in vollem Waffenschmucke heran und ließ sich ben Vorgang berichten. „Das 
Edelste", rief er, „was Rom besitzt, ist seine waffenfrohe, vaterlandsliebende 
Jugenb; sie opfert sich gern, um bas Baterlanb zu retten." Mit biesen Worten 
spornte er sein Roß, bis es in ben Schlnnb sprang, in bem er verschwanb; 
augenblicklich schloß sich ber Abgruub. — Besser beglaubigt ist bie Erzählung 
vom Opfertobe bes Deeius Mus. Als in ber Schlacht bei Sentinnm ber 
von ihm befehligte Flügel ins Wanken geriet, fobaß ber Sieg zweifelhaft 
würbe, ließ er sich von ben Priestern zum Tobe weiheu, um ben Zorn ber 
Götter auf sein Haupt zu lenken, nnb stürmte bann allein verhüllten Hauptes 
mitten in bie Feinbe, bie ihn sofort niebermachten. Sein Opfertob entflammte 
die Tapferkeit ber Römer von neuem, nnb balb war ihr Sieg entfchieben. 
Weber Vorteile, noch Drohungen nnb Qualen konnten einen echten 
Römer bazu bringen, etwas zu tun, was bem Vaterlanbe nachteilig war. 
Gegen Bestechungsversuche war er ganz unzugänglich. ZuCuriusDeutatus 
(s. o. VIII) kamen einst feinbliche Gesanbte, bie ihn burch eine große Geld- 
summe günstig stimmen wollten; er wies sie mit ben Worten ab: „Es ist mir 
lieber, über reiche Leute zu herrschen, als selbst reich zu sein." Dem Fabricins 
(s. o. VIII) bot König Pyrrhus große Schätze, aber ohne allen Erfolg, sobaß 
ber König ihm bas Zeugnis gab: „Wahrlich, eher könnte bie Sonne von 
ihrer Bahn, als Fabricius vom Wege ber Reblichkeit abgezogen werben." 
Auch burch Schrecken konnte Fabricius nicht aus seiner Gemütsruhe gebracht 
werden. Pyrrhus hatte vor dem Gespräch mit ihm seinen größten Kriegs¬ 
elefanten heimlich im Zelte hinter einem Vorhang aufstellen lassen, vor dem 
dann Fabricius Platz nahm. Auf einen Wink des Pyrrhus wurde ber Vor¬ 
hang hinweggezogen, sobaß sich Fabricius bicht vor bem Riesentiere sah, bas 
mit seinem gewaltigen Rüssel ihn betastete. Aber ber Römer blieb kaltblütig 
unb verzog keine Miene. „Laß nur ben Vorhang roieber vorziehen, o König", 
sprach er; „so wenig mich gestern bein Gelb reizen konnte, so wenig kann mich 
heute bein Elefant erschrecken."*) Daß Körperqualen ben Mut ber Römer 
nicht beugen konnten, zeigt bas Beispiel bes Mucius Scävola (s.o.IV); 
auch Regulus (s. u. X) konnte burch bie Aussicht auf entsetzliche Qualen 
nicht bavon abgehalten werben, bas zu tun, was er für recht unb bem Vater- 
laube nützlich erachtete. 
Weichere Gefühle, sogar bie Liebe zu Weib unb Kinb, würben erstickt, 
wenn sie den Forderungen der Vaterlandsliebe entgegen waren. Brutus, 
der Gründer der Republik (s.o. IV), mußte über eine Schar Jünglinge 
zu Gericht sitzen, welche sich verschworen hatten, die Tarquiitier zurück¬ 
zuführen. Unter den Verschwörern waren des Brutus eigene Söhne. 
Unerbittlich ließ er sie mit den Genossen zum Tode führen. Im Latiner- 
*) Vgl. Döbelner Lesebuch I, S. 122.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.