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sich gelegt hatte, ließ er auf feine Kosten die Häuser wieder auf¬
bauen und schenkte den Einwohnern, die ihn wie einen Engel
segneten, Geld und Vorräte. Freilich kamen solche Statthalter
selten vor.
Kamen nun die Statthalter aus der ausgehungerten Provinz
zurück, so wurde das zusammengescharrte Geld teils zu Schwelgereien
benutzt, teils dazu angewandt, sich bei dem Volke beliebt zu machen.
Von diesem nämlich hing es ab, wer die Ehrenstellen bekleiden sollte,
und da jeder gemeine Bürger ebenso gut eine Stimme hatte, wie
der vornehmste, so konnte nur der auf einträgliche Stellen rechnen,
der sich in die Gunst des Volkes zu setzen verstand. Dazu wurden
nun mancherlei Künste angewandt. Es war Gebrauch, daß die, welche
ein obrigkeitliches Amt suchten, einige Zeit vor dem Wahltage in
weißen Mänteln umhergingen, damit das Volk doch wüßte, wem
es seine Stimme geben könnte. Davon wurden diese Leute C a n-
didati d. i. Weißmäntler genannt, wovon noch der Name Kan¬
didaten bei uns üblich ist. Wenn nun ein vornehmer Römer aus¬
ging, so hatte er einen Sklaven hinter sich, der möglichst viele
Bürger von Rom kennen mußte und seinem Herrn, sobald ihm
einer begegnete, den Namen desselben ins Ohr flüsterte. Kam dieser
nun heran, so redete der vornehme Römer ihn sehr vertraulich an
und reichte ihm freundlich die Hand. „Wie geht es dir, mein
Lieber?" hieß es da; „wie gehen die Geschäfte? Was macht deine
Frau? Was machen die Kinder?" Der so Angeredete fühlte sich
dann nicht wenig geschmeichelt, daß der vornehme Mann ihn kannte
und gar so herablassend war, uud gab ihm gewiß bei nächster Ge¬
legenheit feine Stimme, wenn ihn nicht ein anderer noch freundlicher
behandelt hatte. Auch pflegten reiche Leute große Geschenke, be¬
sonders Lebensrnittel, unter das Volk zu verteilen, oder sie hielten
offene Tafel. Jeder ärmere Römer hatte einen reicheren, der ihn vor
Gericht verteidigte und in der Not unterstützte, und den er feinen
Patron nannte. Dafür mußten die ärmeren, die Klienten hießen,
ihren Patron begleiten, wenn er ausging, um fein Gefolge zu ver¬
mehren, sich alle Morgen nach seinem Befinden erkundigen und im
Notfälle auch, wenn es zu Streitigkeiten kam, ihn mit bewaffneter