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wurde beschlossen, Otto im Dom zu Quedlinburg, wenn er
daselbst das Osterfest beging, zu ermorden und die Krone
an Heinrich zu geben. Glücklicherweise entdeckte Otto noch
zur rechten Zeit diesen teuflischen Plan und ließ die Ver¬
schworenen gefangen nehmen. Heinrich vermochte jedoch zu
entfliehen und irrte lange Zeit flüchtig umher; nirgends fand er
Schutz und Obdach. In dieser bitteren Not ging er in
sich und bereute, so unnatürlich an seinem Bruder ge¬
handelt zu haben. Man seierte gerade Weihnachten, und
Otto wohnte im Dome zu Frankfurt Dem Gottesdienste bei.
Wie er so -andächtig dem Gesänge lauscht, öffnen sich plötz¬
lich die Psorten der Kirche, ein Mann tut schlechten, abge¬
rissenen Gewände mit entblößten Füßen tritt herein, er geht
hastigen Schrittes auf deu König zu und wirft sich vor ihm
auf deu falten Fußbodeu nieder. Erschreckt hebt Otto den
Flehenden auf, uud als er in das von Gram entstellte Antlitz
des Mannes blickt, erkennt er seinen Bruder, der sich so
schwer an ihm vergangen hat. Vergeblich beteuert der Herzog
Heinrich feine tiefe Zerknirschung und bittet den kaiserlichen
Bruder fußfällig um Gnade, — die Kränkung, die Otto
erfahren, ist zu schwer, er samt sie mcht vergessen und bleibt
allen Bittön gegenüber taub. Schott will Heinrich in Ver¬
zweiflung forteilen, da erhebt stch der fromme Abt von
Fnlda, ergreift die Bibel und liest daraus mit klarer, weit¬
hin vernehmlicher Stimme die Stelle vor, wie Petrus
deu Herru fragt: „Herr, wie oft soll ich meinem Bruder,
der an mir sündigt, vergeben? Jst's genug siebenmal?"
Aber der Herr antwortet: „Nein, nicht siebenmal nur,
sondern siebenzigmal sieben!" Wie das der König Ltto
hört, schmilzt seine Strenge hinweg, Thränen der Rührung
fließen von seiner Wange, er hebt den Bruder auf und
zieht ihn an die Brust. In Friede und Freude konnten
sie nun das heilige Christfest feiern. Heinrich hielt fein
Versprechen; treu ergeben diente er fortan seinem Bruder
bis an den Tod.