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5. Das Kreuzheer zu Antiochia.
Herbste 1097 erreichte das Kreuzheer Syrien
un‘) belagerte Antiochien. Die Stadt war mit einer
^ doppelten Mauer umgeben, die von solcher Dicke
war, daß ein Wagen ohne Gefahr auf ihr fahren konnte;
450 starke Thürme erhoben sich über die Mauer. Etwa
25,000 Türken vertheidigten die Stadt. Ganze 9 Monate
widerstand sie der Belagerung, obschon die Fürsten und
ihre Schaareil Wunder der Tapferkeit verrichteten. Einst
sprengte ein türkischer Reiter von riesenmäßiger Kraft
und Größe ans Gottfried von Bouillon heran und zwischen
beiden begann ein furchtbarer Zweikampf. Die Schwerter
blitzten, es folgte Schlag auf Schlag. Jetzt hob der Türke
sein Schwert zu einem gewaltigen Hiebe. Gottfried hielt
seinen Schild vor; aber der mächtige Schlag spaltete die¬
sen in zwei Theile, und eben schwang der Türke sein
Schwert aufs neue, um dem schutzlosen Ritter den Kopf
zu spalten. Da hebt sich Gottfried anf seinem Rosse,
hoch blitzt sein Schwert in der Luft und sausend fährt es
mit Riesenkraft in die Schulter des Feindes, durchschneidet
der Länge nach dessen Brust und findet auf der andern
Seite am Gürtel feinen Ausweg. Die obere Hälfte des
getheilten Türken fällt zu Boden, die untere aber bleibt
im Sattel sitzen, und zum Grausen aller, die es sehen,
rennt das Pferd so mit Blut übergössen nach der Stadt
zurück.
Erst tut Sommer 1093 wurde Antiochien von den
Kreuzfahrern erobert. Aber kaum freuten sie sich ihres
Glückes, als am 3. Tage nach der Einnahme ein furcht¬
bares Heer von den benachbarten türkischen Fürsten vor¬
der Stadt erschien und sie nun in derselben einschloß.
Das christliche Heer, das in so kurzer Zeit die Stadt
nicht mit den nöthigen Lebensmitteln hatte versehen
können, gerieth in die schrecklichste Noth. Man aß Pferde,
Kameele, Esel, gekochte Thierhäute und Baumrinde. Durch
Hunger und Noth ermattet, auf allen Seiten mit Gefahren
umringt, verloren viele den Muth und ließen sich zur