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dorfer Schule vertraten den Naturalismus hauptsächlich Camphausen mit
seinem „Siegesgesaug nach der Schlacht bei ßeuthen", „Blüchers Übergang
über den Rhein", „Der Kronprinz am Abend von Kömggrätz", ferner
Kraus mit seinem „In tausend Ängsten" (Kind unter Gänsen), Vautier
mit der „Tanzpause", und der „ersten Tanzstunde". In Berlin leitete die
realistische Bewegung Adolf Menzel ein, der in seinen Werken, z.B. dem
^Flötenkonzert in Sanssouci", „Tafelrunde Friedrichs des Großen in
^anssouci", auch alle Personen der Umgebung geschichtlich getreu wiedergibt.
Neben Menzel steht der Direktor der Berliner Akademie Anton v. Werner,
bekannt durch die „Kaiserproklamation zu Versailles" und die „erste Reichs¬
tagseröffnung unter Kaiser Wilhelm II.".
Kaiser Wilhelm II. bevorzugt die Historienmalerei und erhob Adolf
Menzel durch die Verleihung des Schwarzen Adlerordens in den Adelsstand.
Die Bildhauerkunst fand reiche Unterstützung. Jede Provinz setzte
Wilhelm dem Großen ein Denkmal. Mehr als früher nahm man auf den
Standort Rücksicht, so daß auch der Architekt zur Geltung kam. Daher
wirken auch aus der Ferne das Kyffhäuser-Denkmal und Kaiser-
Wilhelms-Denkmal auf dem Wittekindsberg bei Minden mächtig. Von
den Künstlern schätzte Kaiser Wilhelm II. Reinhold Begas am höchsten, der
durch Allegorien eine malerische Wirkung der Plastik erstrebte. Seine be¬
deutendsten Werke sind das Schiller-Denkmal,der Neptunsbrunnen und
das Kaiser-Wilhelms-Denkmal zu Berlin. Auf diese Arbeiten wirkte
der Kaiser selbst ein wie auf das Bismarck-Denkmal, die Errichtung der
Siegesallee im Tiergarten, den Ausbau der Marien bürg, die Wieder¬
herstellung der Hohkönigsburg bei Schlettstadt und der Saalburg bei
Homburg vor der Höhe und das Pergamons-Museum zu Berlin.
Der Schöpfer des modernen Musikdramas ist Richard Wagner. Er
bekämpfte die Große Oper mit ihrem Prunk und widersinnigen Hand¬
lungen und legte das Hauptgewicht auf dramatische Wahrheit. Musikalische
Dramen nannte er seine Opern selbst. Von der Bedeutung der Bühne für
das nationale Leben durchdrungen, suchte er dem deutschen Volke ein National-
drama zu schaffen, wie die Griechen es in ihrer Tragödie besaßen. Er
nahm daher den Stoff zu seinen Werken aus der deutschen Sage.
Sein Freund Liszt bemühte sich, seine Opern in weiteren Kreisen bekannt
zu machen. Bald bildeten sich Wagner-Vereine, um nach dem Wunsche des
Meisters zu Bayreuth ein besonderes Theater zur Aufführung feiner Werke
zu errichten. 1876 wurde hier die Trilogie „Der Ring der Nibelungen"
(das Vorspiel Rheingold, Walküre, Siegfried, Götterdämmerung) in glänzen¬
der Besetzung aufgeführt. Frühere Opern waren „Der fliegende Holländer",
„Rienzi", „Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der Wartburg", „Lohen-
grin", „Tristan und Isolde", „Die Meistersinger von Nürnberg". Sein
letztes Werk war „Parsifal" 1882, das ein Jahr vor seinem Tode erschien.
*) Siehe Lehrbuch der alten Geschichte Seite 89.