Full text: Lebensbilder und Ereignisse aus der vaterländischen Geschichte nebst einem Kanon der einzuprägenden Zahlen (T. 1/2: Lesebuch für Sexta und Quinta)

D. Der Weltkrieg. 
1. Wie es zum Weltkrieg kam. 
Über 25 Jahre war es Kaiser Wilhelm II. gelungen, seinem Volke mih-im ll 
den Frieden zu erhalten. Freilich hat er es mit dieser Ausgabe nicht 
leicht gehabt. Wie im täglichen Leben derjenige, der auf Ungezogen¬ 
heiten vornehm stillschweigt, leicht sür schwach gehalten und mi߬ 
achtet wird, so ging es auch unserm Kaiser und unserm Vaterland 
im großen Leben der Völker. In Frankreich, wo man die Niederlage 
von 1870/71 nicht verwinden konnte, wurde ganz offen von der Rache 
an Deutschland gesprochen. In England blickte man entweder spöttisch 
auf bett „armen deutschen Vetter" herab, der sich mit dem „englischen 
Gentleman" (Edelmann!) nicht vergleichen könne, oder man entrüstete 
sich neidisch, wenn wir unsre Flotte vergrößerten. Die Russen sprachen 
immer lauter davon, daß das Deutschtum vernichtet werden müsse, da¬ 
mit das russische Slawentum die von Gott gewollten höchsten Mensch¬ 
heitsziele verwirklichen könne. Und wie in das wütende Gebell großer 
Hunde sofort die kleinen Kläffer sich mischen, so wagten auch gar viele 
Zeitungen kleiner und kleinster Völker, in frechster Weife Deutschland 
und deutsche Gesittung herabzusetzen. 
Wie aber sollen wir es uns erklären, daß wir Deutschen, daß deut- Warum ist der 
sches Wesen und deutsche Art in der Welt )o unbeliebt sind ? Müssen nicht un’ 
die zahlreichen Ausländer, die Deutschland besuchen, die an unsern Hoch¬ 
schulen studieren, in unsern Kaufhäusern, Fabriken und Arbeitsstätten 
lernen, in unserm Heere vorübergehend Dienste tun — müssen sie nicht 
zu Hause berichten, was für ein fleißiges, ordnungsliebendes, Kunst 
und Wissenschaft pflegendes, gastliches Volk wir Deutschen sind? Und 
die zahllosen Deutschen, die als Gelehrte, Techniker, Kaufleute und 
Arbeiter im Auslande tätig find, sollten sie unserm Ruf so geschadet 
haben? Gewiß müssen wir zugeben, daß viele Deutsche die deutsche 
Art selbst zu wenig zu schätzen wissen, gern ausländische Sitten nach¬ 
äffen, französische „Mode" und englische Kleider für feiner halten, 
und wenn sie etwa in das Ausland übergesiedelt sind, gar zu schnell 
ihr Deutschtum verleugnen und sich als Engländer oder Amerikaner
	        
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