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ließ beide vor Gericht führen, und es ward ihnen das Urteil ge¬
sprochen. Die Tochter ward in den Wald geführt, wo sie die wilden
Tiere zerrissen, die Hexe aber ward ins Feuer gelegt und mußte
jammervoll verbrennen. Und wie sie zu Asche verbrannt war, ver-
5 wandelte sich das Rehkälbchen und erhielt seine menschliche Gestalt
wieder; Schwesterchen und Brüderchen aber lebten glücklich zusammen
bis an ihr Ende. Brüder Grimm.
6. Hansel und Gretel.
Warum Hansel die Kieselsteine sammelte.
10 Vor einem grossen Walde wohnte ein armer Holzhacker mit
seiner Frau und seinen zwei Kindern; das Bübchen hiess Hansel
und das Mädchen Gretel. Er hatte wenig zu heissen und zu
brechen, und einmal, als grosse Teuerung ins Land kam, konnte
er auch das tägliche Brot nicht mehr schaffen. Wie er sich nun
15 abends im Bette Gedanken machte und sich vor Sorgen herum¬
wälzte, seufzte er und sprach zu seiner Frau: „Was soll aus uns
werden? wie können wir unsere armen Kinder ernähren, da wir
für uns selbst nichts mehr haben?“ „Weifst du was, Mann,“
antwortete die Frau, „wir wollen morgen in aller Frühe die
20 Kinder hinaus in den Wald führen, wo er am dicksten ist: da
machen wir ihnen ein Feuer an und geben jedem noch ein
Stückchen Brot, dann gehen wir an unsere Arbeit und lassen sie
allein. Sie finden den Weg nicht wieder nach Haus, und wir
sind sie los.“ „Nein, Frau,“ sagte der Mann, „das thue ich nicht;
25 wie sollt’ ich’s übers Herz bringen, meine Kinder im Walde allein
zu lassen, die wilden Tiere würden bald kommen und sie zer-
reifsen.“ „0 du Narr,“ sagte sie, „dann müssen wir alle viere
Hungers sterben, du kannst nur die Bretter für die Särge hobeln,“
und liess ihm keine Ruhe, bis er einwilligte. „Aber die armen
30 Kinder dauern mich doch,“ sagte der Mann.
Die zwei Kinder hatten vor Hunger auch nicht einschlafen
können und hatten gehört, was die Stiefmutter zum Vater gesagt
hatte. Gretel weinte bittere Thränen und sprach zum Hänsel:
„Nun ist’s um uns geschehen.“ „Still, Gretel,“ sprach Hänsel,
35 „gräme dich nicht, ich will uns schon helfen.“ Und als die Alten
eingeschlafen waren, stand er auf, zog sein Röcklein an, machte
die Unterthüre auf und schlich sich hinaus. Da schien der Mond
ganz helle, und die weifsen Kieselsteine, die vor dem Haus lagen,