Die Leute vom Erlhof.
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65. Die Leute vom Erlhof.
Maienzeit war's, duftender, vollblühender Frühling. Aus allen
Büschen und Baumkronen sang und klang es von LCust und Glück.
Und doch rannen Tränen inmitten der jauchzenden Frühlingsfreude.
Ein langer, langer Zug Ceidtragender geleitete einen Mitbruder zur letz⸗
ten Ruhe. Den jungen Erlhofer hatte der Tod jäh aus dem Kreise der
Seinen gerissen. Sein Weib, zwei weinende Kinder an den Händen füh—
rend, schritt schmerzverloren hinter der Bahre, welche, von vier Knechten
getragen, nun unter Glockenklang durch die griedhofspforte schwankte.
Das Begräbnis war porüber. Die Verwandten und Bekannten
hatten sich nach einigen leeren Beileidsworten still um die Ecke gedrückt.
Niemand wollte sich näher einlassen mit den Verwaisten, denn um den
Erlhof stand's schlecht. Toten solle man ja nichts Böses nachreden, doch
der Verstorbene sei kein rechter Regierer gewesen, Mißwachs und Hagel⸗
schläge hätten das gute, alte Heimwesen ins Wanken gebracht und schwer
werde es halten, wenn die Bäuerin die Zinsen der hohen Schulden⸗
last auf ein paar Jährlein vielleicht nur erschwingen wolle. Die Kinder
müßten einen dauern und um die Frau sei's schad, die fleißige, brave
Person aber wer wolle und könne helfen ohne sein sicheres Geld
zu gefährden ? In ähnlichen Reden tuschelte es noch auf den Wegen;
aber hinter dem Kruge sprach's jeder laut und nach etlichen Stunden
war der Erlhof mit ückern, Wald und Wiesen schon vergantet und unter
die „Leidtragenden“ verteilt.
Am Kirchenhügel oben, wo die Toten schliefen, war es derweilen
ganz still geworden. Die Erlbauernkinder griffen nach Fliedersträußen
an der Friedhofwand; die Bäuerin kniete, endlich von der lauten Mit—
trauer befreit, allein am Grabe und ließ ihrem Weh freien Cauf.
Da knarrte die Pforte; auf schweren Schuhen traten die vier Knechte
herein, die Mägde kamen und suchten nach den Kindern.
„Mutter, wenn du dich ausgeweint hast, möchten wir mit dir reden,“
sagte der Altknecht und zerrte an seinem grauen Schnurrbart um nicht
erkennen zu lassen, wie es in seinem verwitterten Gesichte zuckte.
Die Witwe schaute auf: „Eilt's so arg? Saat es schnell: ihr
wollt gehen — alle miteinander — was wär' auf meinem Hofe auch
noch zu suchen ?“
„Ja, geh'n tun wir, Mutter,“ sprach der Altknecht und richtete
mit seinem starken Arm die Trost- und Hilflose auf, „wir gehen —
aber mit dir.“
Und die vier eckigen Gesellen schritten wortlos wie eine Leib—
wache mit ihrer Hofbäuerin die lange Dorfstraße hinab und die Mägde