Ueberblick und Eintheilung.
1. Germanenthum und Christenthum. Die Kultur des Alterthums
breitete sich in den beiden friedlichen Jahrhunderten der christlichen
Zeitrechnung aus, soweit die römischen Grenzen reichten (Angabe
derselben nach der Karte!), und fasste ungestört feste Wurzeln. Reste
römischer Bauwerke finden sich selbst in den Oasen der Sahara. Nicht
wenige Provinzialen zeichneten sich in der Wissenschaft aus. Die
lateinische Sprache wurde überall geredet, wenigstens verstanden. Die
allgemeinere Sprache noch war das damalige Griechische. Bei aller
Aehnlichkeit der Kultur hatte der Osten sein hellenistisches Gepräge
bewahrt.
Noch vor 200 lenkte sich das Hauptinteresse der Welt auf den
nördlichen Theil Europas, und in deii folgenden Jahrhunderten bemäch¬
tigten sich die dort sesshaften germanischen Völker der römischen
Provinzen im Westen Europas (welcher?), sogar Italiens, vorübergehend
auch der Nordküste Afrikas. Seitdem begann eine neue Entwicklungs¬
periode der Menschheit.
In ihren heimatlichen Wäldern hatten die Germanen neben ihrer
Rohheit grosse Tapferkeit bewahrt. Ihre Lebensweise preist im
Vergleiche mit den Lastern der alten Welt Tacitus als eine ausser¬
ordentlich sittliche (um die Römer auf die grosse Gefahr vor ihnen
aufmerksam zu machen?).
Im römischen Reiche bereitete das Christenthum aufangs im Stillen
eine „Wiedergeburt“ vor. Es nahm seinen Anfang bei dem begabten
Volke der Juden, das, unbeirrt durch die Einflüsse der hellenistischen
Bildung, den Glauben an einen Gott, an einen Erlöser und Welt¬
heiland aufrecht erhalten hatte. Die neue göttliche Lehre wies die
vom nackten Egoismus beherrschten, der Freuden und der Leiden
dieser Welt überdrüssigen Völker auf die Glückseligkeit und Vergel¬
tung im Jenseits hin und suchte statt des Hasses und der Furcht
Liebe zu verbreiten. „Da die Zeit gekommen war“, fand sie zunächst
in dem am meisten entsittlichten Oriente Verbreitung. Lange beherrschte
das Christenthum die Gemüter des besten Theiles der römischen Unter-
thanen, als Constantin es zur Staatsreligion erhob, und lange war das
Heidenthum aus den Grenzen des römischen Reiches verbannt, als die
meisten Germanen noch ihren heimischen Göttern opferten.
Brock, Grundriss II.