Wilhelm I., deutscher Kaiser.
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Preufsen einander den gegenseitigen Besitz, und jene verpflichteten
sich, im Kriegsfälle Preufsen ihre Truppen unterzustellen.
Diese grofsartigen Erfolge des preufsischen Heeres und die diplomatische
Befähigung des grofsen preufsischen Staatsmannes (Das königliche Indemnitäts¬
gesuch wegen der budgetlosen Zeit) führten nach Auflösung des letzten Land¬
tages (wann? §. 180) zur Verständigung von Regierung und Volk und zu fracht-
barster Gesetzgebung.
Der vom Könige am 24. Februar 1867 in Berlin eröffnete erste24.Fbr.
Reichstag des Norddeutschen Bundes stellte, anstatt über Volks-1867
rechte zu debattieren, die Einheit des Volkes durch das allgemeine
Bürgerrecht wieder her, so dafs in dem ganzen Bundesgebiete den sich
Ansiedelnden das Indigenat von selbst gewährt wurde, und sicherte
den Bundesangehörigen auch im Auslande den Schutz. Die Zusiche¬
rung der Bundesakte vou 1815 betreffs der Vertretung des Volkes
bei der Reichsregierung und betreffs gemeinnütziger Anordnungen
wurde jetzt endlich ausgeführt.
Die Fürsten vertrat der Bundesrat von 43 Mitgliedern, das Volk das
(norddeutsche) Reichsparlament von 296 Abgeordneten, welche durch Urwahl
aus je 100 000 Seelen hervorgingen (Keine Diäten) und in einer Kammer tagten.
Kaiser, Bundesrat und Reichstag zusammen hatten das Recht der Gesetz¬
gebung (wie?). Die preufsische Wehrpflicht wurde allgemein eingeführt und die
Kriegslast gleichmäfsig verteilt. Landheer und Kriegsflotte wurden einheitlich
organisiert, im Kriege wie im Frieden von dem Könige von Prenfsen als dem
natürlichen Bundesfeldherrn befehligt. Derselbe erklärte den Krieg und schlofs
den Frieden, vertrat den Bund dem Auslande gegenüber und ernannte den
Reichskanzler und die Reichsbeamten.
Der Norddeutsche Bund umfafste 7 560 □ Meilen mit 29^4 Million Ein¬
wohner (Preufsen 6 400 □ Meilen und 24 Million Einwohner).
Der deutsche Zollverein wurde so geschickt mit dem neuen Reiche ver¬
knüpft, dafs ihm hierfür auch die süddeutschen Staaten beitraten.
Wilhelm I., deutscher Kaiser.
185. Ursachen und Veranlassung des deutsch - französischen
Krieges 1870/1871. Diese ganz unerwarteten Erfolge Preufsens riefen
die Eifersucht des Jahrhunderte lang mit Deutschland rivalisierenden
Frankreichs hervor. Dazu kam die gerade damals schon nicht mehr
ganz sichere Stellung Napoleons in Frankreich (wo erwähnt? §. 172). Seit¬
dem sein Vermittelungsversuch von Preufsen unbeachtet geblieben und
sein Gelüste nach „Kompensation“ schroff zurückgewiesen war (Ant¬
wort Bismarcks an Benedetti auf sein Verlangen: „Mainz oder Krieg!“
„Gut, dann ist Krieg“), wurde „Rache für Sadowa“ das Stichwort der
aufgeregten Franzosen, Preufsens Stellung zu untergraben oder es zum
Kriege zu reizen, Napoleons unablässiges Bestreben (Heeresorganisation
durch Niel; Chassepot, Mitrailleusen).
Die Kriegsgefahr 1867 bei Gelegenheit eines von dem geldbedürftigen
Könige von Holland projektierten Verkaufes von Luxemburg an Napoleon, wo¬
gegen Preufsen entschieden protestierte, endete unter europäischer Vermittelung
damit, dafs Luxemburg (nach Auflösung des deutschen Reiches) für neutral er¬
klärt wurde und in dem Zollvereine blieb, aber die Festungswerke, in denen
noch preufsische Besatzung geblieben war, geschleift werden sollten.
Dieser kleine Erfolg Napoleons wurde vollständig in den Hintergrund ge-