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3. Neben der Abtei entstand im Laufe der Zeit der Ort Seligen¬
stadt, srüher viel begehrt von Mainzer Bischöfen und deutschen Königen,
die um deu Besitz langwierige Kämpfe führten. Dabei hielten die
Bürger meistens zur weltlichen Partei. So entstand große Feindschaft
zwischen Stadt und Kloster, die nicht selten in offenen Streit ausbrach.
11. Eginhard und Irrrrrra?)
(Eine Sage.)
Das schöne Verhältnis, das zwischen Karl dem Großen und Egin¬
hard bestand, wird durch die Sage noch inniger gestaltet. Sie erzählt
uns folgendes: Karl der Große hatte eine Tochter Jmma, die in herz¬
licher Liebe dem Geheimschreiber Eginhard zugethan war. So sehr Karl
auch den Eginhard schützte, so wollte er doch in eine Heirat nicht
willigen und verstieß Jmma samt Eginhard. Da wanderten beide aus
und ließen sich im tiefen Walde am Main nieder. Hier bauten sie
eine Hütte, legten Gärten, Äcker und Wiesen an. Ost ging Eginhard
hinaus in den Wald auf die Jagd und brachte manch schönes Wildbret
nach Hause. So lebten Eginhard und Jmma glücklich und zufrieden.
Nun begab es sich, daß der Kaiser einst in jener Gegend jagte; und
wie er einem prächtigen Sechzehnender nachsetzt, gerät er immer tiefer
in den Wald; und als er endlich den Hirsch erlegt-hat, ist er ganz
allein. Er stößt ins Horn, das ihm an der Hüfte hängt, aber niemand
antwortet; denn keiner hatte ihm folgen können. Es fängt schon an dunkel
zu werden. Da sieht er ein freundliches Häuschen, die Wohnung Einharts,
vor sich liegen, ein Gärtchen daran, am Fluß eine Wiese; und das Wasser
blinkt in den letzten Strahlen der Abendsonne. Aber die Augen Jmmas
blinken auch, als sie den Vater so plötzlich vor dem Häuschen sieht;
denn sie erkennt ihn wohl, obgleich er sie nicht kennt.
Der Kaiser wird eingeladen, ins Hans zu treten, und dort sitzt
er nun allein mit seinen Gedanken; und die Gedanken wandern aus
dem Häuschen hinaus in den Wald, wo er den Hirsch erlegte, und von
dem Hirsch ans sein Gefolge und von seinem Gefolge auf sein kaiserlich
Schloß zu Ingelheim. Da zählte er seine Söhne und Töchter in
Gedanken und dachte auch an seine Tochter Jmma, und er seufzte.
Indem tritt Jmma herein und bietet ihm zum Abendbrot sein Leib¬
gericht, einen Eierkuchen, wie damals, als sie noch in der Pfalz war. Während
der Kaiser aß, wanderten die Gedanken immer fort, und ehe er sich's
versah, rollten ihm die hellen Thränen in den Bart. Da fiel ihm
Jmma zu Füßen, und der Vater erkannte die Tochter, die er lange
gesucht und vermißt hatte. Da war große Freude, und als Eginhard
heim kam, umarmte ihn der Kaiser als seinen lieben Sohn, machte
ihn zum Reichsgrafen, hieß ihn eine Stadt bauen an dieser Stelle und sagte:
*) Es ist festgestellt, daß Eginhard eine Jmma zum Weibe hatte. @ie_ war
aber nicht eine Tochter Karls des Großen, sondern eine Schwester des Bischofs
Bernhard von Worms.
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